Zwei Gelehrte des Mittelalters

Isidors von Sevilla Etymologiae – Die Wikipedia des Mittelalters

Wer heute etwas nachschauen will, der sucht in der Wikipedia und wird dort in den meisten Fällen fündig. Wer im Mittelalter etwas nachschlagen wollte, musste sich durch die Etymologiae, ein Werk des frühmittelalterlichen Bischofs Isidor von Sevilla arbeiten, der sich in der Zeit der Völkerwanderung daran gemacht hatte, das antike Wissen vor dem Vergessen zu retten.

Isidor von Sevilla entstammte einer großen spanisch-römischen Familie, die von den Goten gegen Ende des 6. Jahrhunderts aus ihrem Heimatort vertrieben wurde. Isidor folgte im Jahre 600 als Bischof von Sevilla seinem Bruder Leander nach. Durch dieses Amt wurde er zum Ratgeber von Sisebus, dem König des Westgotenreichs, der ihn bat ein Nachschlagewerk zu schreiben.

Dieses Werk, das insgesamt zwanzig Bücher umfasst, beinhaltet Wissen aus den Bereichen Grammatik, Rhetorik und Mathematik. Darüber hinaus findet man Einträge zu Medizin, zu den geistlichen Wissenschaften sowie zu Naturkunde, Kosmologie und Technik.

Formal sind die einzelnen Einträge immer gleich aufgebaut. Jeder Begriff wird zunächst auf seinen Wortursprung zurückgeführt. Diese Herleitung aus der Wortgeschichte führte zu dem Namen des Lexikon, der Wortherkunft bedeutet. An diesem Ansatz ist bereits ersichtlich, dass Isidor ein Freund der lateinischen Sprache und vor allem ihrer Grammatik war. Sie bildet für ihn die Grundlage des Denkens und damit allen Wissens, das er in seinem Etymologiae versammeln wollte. Anders als heute war sein Lexikon nicht alphabetisch sortiert.

Wer bei Isidor etwas über Hunde erfahren wollte, der schlug zunächst im Buch über Tiere nach, suchte den Abschnitt über Wildtiere, arbeite sich bis zum Wolf durch und fand dort dann dessen domestizierten Verwandten, über den er erfuhr, dass sich das lateinische Wort canis eventuell vom Wort cantare für singen ableite. Danach las er von empirischen Belegen dafür, dass Hunde die schlausten Tiere seien, weil sie alleine auf ihren Namen hören würden. Schließlich beendet ein Verweis auf die Naturgeschichte des römischen Autoren Plinius, der im 1. Jahrhundert n. Chr. lebte, den Eintrag.

Trotz dieses für heutige Augen ungewohnten Vorgehens erfreute sich die Etymologiae im Mittelalter großer Beliebtheit. So existieren bis heute über 1000 Handschriften und der erste Druck von 1472 erfuhr bis 1530 zehn Auflagen.

Papst Silvester II. – Der beste Mathematiker seiner Zeit

Wen bittet ein Kaiser eigentlich um Nachhilfe in Mathematik? Und welcher Lehrer kann eine solche Bitte ablehnen? Kaiser Otto III. bat 996 Gerbert, den Erzbischof von Reims, um diese Art von Hilfe. Die Antwort des Bischofs fiel höflich aber direkt aus, denn ein Kaiser mit griechischen Vorfahren benötige seine Hilfe sicher nicht. Warum aber bat der Kaiser gerade diesen Mann um Hilfe?

Gerbert war kein gewöhnlicher Kleriker. Seine bemerkenswerte Intelligenz sorgte recht früh dafür, dass er gefördert wurde. Obwohl er aus sehr einfachen Verhältnissen kam, hatte er so die Möglichkeit in Katalonien zu studieren. Dieser Aufenthalt war prägend für Gerbert, denn nur auf der iberischen Halbinsel konnte er früher als andere Europäer mit dem antiken Wissen der Griechen in Kontakt kommen. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass er sich vor allem in den mathematischen Fächern auszeichnete. Dabei waren es weniger die Musik und die Geometrie, die sein Interesse weckten, sondern vor allem die Arithmetik und Astronomie, in der er es zu einer wahren Meisterschaft brachte. So konnte er ohne Probleme einen Abakus für das Rechnen von arabisch-indischen Zahlenmodellen nutzen, baute einen Globus nach antikem Vorbild nach, konstruierte Fernrohre zur genaueren Beobachtung des Himmels und schuf einen Sternhöhenmesser.

Obwohl er durch diese Tätigkeit sehr berühmt wurde, sind lediglich ein paar Texte von ihm selber mit naturwissenschaftlichem Inhalt erhalten. Das lag aber keinesfalls daran, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, sich vorzüglich auszudrücken. Auch in der Rhetorik war Gerbert äußerst bewandert. Die Verbindung von mathematischem Geist und rhetorischem Geschick war es wohl, die ihm die Bewunderung des jungen Kaisers Otto III. einbrachte. Obwohl Gerbert den Wunsch des Kaisers ablehnte, diesen zu unterrichten, blieben sich beide so verbunden, dass Gerbert durch seine Hilfe 999 als Silvester II. Papst werden konnte und dies bis zu seinem Tod 1003 blieb.

Seine Liebe zu mathematischen und astronomischen Fragestellungen brachte aber nicht nur Ruhm und Ehre. Später wurde ihm daher angedichtet, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Das bekannteste Beispiel dafür ist sicherlich Walther von der Vogelweide, der in diesem gebildeten Mann nur den bösen “zouberaer Gerbrechte“ sah.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert