Gedanken zum Familiennachzug laut AufentG §§ 28 und 30

Ich bin verheiratet. Meine Frau ist kongolesische Staatsbürgerin, ich bin deutscher Staatsbürger. Ich wohne in Wuppertal, meine Frau in Kinshasa. Obwohl wir verheiratet sind, darf meine Frau (noch) nicht bei mir in Deutschland sein. Der Grund ist das deutsche Aufenthaltsgesetz, genauer § 28. Darin wird der Nachzug von ausländischen Ehegatten zu Deutschen geregelt. Ursprünglich stand da wohl einmal drin, was jeder erwartet, nämlich, dass meine Frau bei mir sein darf, nachdem die Hochzeit anerkannt wurde. Allein die Anerkennung kann bei kongolesischen Akten schon mal ein paar Monate dauern, was zu einer Verzögerung führt, aber irgendwann wurde das Gesetz geändert, vielleicht, weil es genug deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund gab, die Ehepartner aus den Ländern hatten, aus denen sie oder ihre Eltern einmal kamen, was sich zum Nachteil für die Ehepartner, deren Integration oder wen auch immer auswirkte. (Das Innenministerium erzählte irgendetwas von nationaler Sicherheit, als ich da nachfragte)

Jedenfalls veränderte der Gesetzgeber den Paragraphen. Diese Veränderung nahm in § 28 nun Bezug auf § 30 des AufentG. Darin wird der Nachzug von Ehegatten zu in Deutschland lebenden Ausländern geregelt. In Satz (1), Nr. 2 wird dort geregelt, dass der nachziehende Ehegatte in der Lage sein muss, sich auf einem basalen Level auf Deutsch zu verständigen. Verschiedene Gerichte haben nun darauf hingewiesen, dass damit die Niveaustufe A1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für das Sprachenlernen gemeint ist. Und darum lernt meine Frau nun Deutsch in einer Sprachschule in Kinshasa. Bei einem Lehrer, der noch nie in Deutschland war, mit Textbüchern voller Tippfehlern und veraltetem Inhalt und alter Rechtschreibung. Der Unterricht wird vornehmlich auf Französisch erteilt und besteht darin, dass der Lehrer deutschsprachige Dialoge ins Französische übersetzt und die Schüler das mitschreiben. Eigenständiges Sprechen und Schreiben gibt es nur vereinzelt. Der Kurs dauert 4 Monate und findet drei Mal die Woche für 90 Minuten statt.

Natürlich ist es sinnvoll, dass meine Frau Deutsch lernt. Dass sie es vor der Visumserteilung tun muss, ist sicher diskutabel, zumal ich selber Lehrer für Deutsch als Fremdsprache bin und ihr einen Platz in meiner Schule ohne Probleme sichern kann. Das aber ist peripher. Was mich ärgert ist etwas anderes. § 30 sieht nämlich eine Reihe von Ausnahmen vor, die den Ehepartner eines in Deutschland lebenden Ausländers vom Erlernen der deutschen Sprache entbindet. Diese Ausnahmen gelten laut § 28 auch für Ehegatten von Deutschen. Schaut man sich die acht Ausnahme regeln einmal an, stellt man dabei aber Erstaunliches fest:

Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn

1. der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,

2.der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,

3.bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,

4.der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,

5.der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20 oder § 20b ist,

6.es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen,

7.der Ausländer einen Aufenthaltstitel nach den §§ 19 bis 21 besitzt und die Ehe bereits bestand, als er seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat, oder

8.der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20 war.

Schauen wir uns einmal diese Ausnahmeregeln im Detail an. Zunächst muss festgestellt werden, dass die Regeln nicht wortwörtlich übernommen werden können, da es ja nicht um einen in Deutschland lebenden Ausländer, sondern um einen deutschen Staatsbürger geht. Das bedeutet, dass wir „der Ausländer“ durch „der deutsche Staatsbürger“ ersetzen müssen, wo im Gesetzestext „der Ausländer“ steht. Wichtig ist hierbei, dass der Begriff „Ausländer“ für den in Deutschland lebenden Ehepartner genutzt wird, nicht für den nachzuholenden Ehepartner. Daher müssen wir in den Ausnahmeregeln 1, 4, 5, 7 und 8 den Austausch der Begriffe durchführen. Das sieht dann so aus.

1. der deutsche Staatsbürger, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,

4. der deutsche Staatsbürger wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,

5. der deutsche Staatsbürger im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20 oder § 20b ist,

7. der deutsche Staatsbürger einen Aufenthaltstitel nach den §§ 19 bis 21 besitzt und die Ehe bereits bestand, als er seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat, oder

8. der deutsche Staatsbürger unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20 war.

Man merkt recht schnell, dass das alles großer Quatsch ist, weil ja ein deutscher Staatsbürger durch seine Staatsbürgerschaft all diese Aufenthaltstitel gar nicht braucht. Einzig Nr. 4 ist interessant, denn dabei handelt es sich ja gar nicht um einen Aufenthaltstitel, sondern um die Frage der Staatsbürgerschaft. Wendet man diese Nummer korrekt an, würde es bedeutet, dass ein jeder ausländischer Ehepartner eines Deutschen ohne Sprachkenntnisse ins Land reisen darf, weil der deutsche Ehegatte ja ohne Zweifel das Recht hat, wegen seiner Staatsangehörigkeit in Deutschland zu bleiben. Diese Anwendung würde aber den gesamten Zusatz aus § 38 überflüssig machen. Wahrscheinlich haben irgendwelche Gerichte bereits treffende Möglichkeiten gefunden, diese Ausnahme juristisch anders zu interpretieren, aber dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein schlecht gemachtes Gesetz verabschiedet wurde.

Schauen wir uns aber einmal die Inhalte der genannten Aufenthaltstitel näher an. Im Fall von Nr. 1 ist ein Schutz suchende Ausländer gemeint, der neu angesiedelt werden soll bzw. ein ungefährlicher Asyl Besitzender ist. Hier geht es also ganz klar um Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, um Schutz zu finden, der natürlich auch für dessen Familie gilt. Auf einen deutschen Staatsbürger ist das definitiv nicht anwendbar.

Anders sieht es bei ausländischen Forschern aus, die von Nr. 5 abgedeckt sind. Wer dauerhaft in Deutschland lebt, um hier Forschung zu betreiben, darf seinen Ehepartner nachholen, ohne dass dieser Deutsch lernen muss. Dass bedeutet, dass der Ehepartner eines ausländischen Wissenschaftler eine Sondererlaubnis erhält. Ich bin weit entfernt davon, mich als Forscher zu bezeichnen. Ich forsche jedoch regelmäßig zu Geschichte und veröffentliche dazu auch (der Blog hier sollte dies gezeigt haben). Für meine Frau kommt eine solche Regelung jedoch nicht in Frage. Gibt es also eine Benachteiligung für deutsche Forscher?

Nr. 7 regelt den Aufenthalt von Hochqualifizierten. Ehepartner von hochqualifizierten Ausländern dürfen ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland einreisen. Doch Ehepartner von hochqualifizierten Deutschen ist dies wohl nicht gestattet. Ich besitze zwei Universitätsabschlüsse und bin erfolgreich als Selbstständiger tätig. Ich denke, hochqualifiziert ist da durchaus ein mögliches Wort, um mich zu beschreiben. Für meine Frau erwächst daraus kein Vorteil, wäre ich ein in Deutschland lebender Kongolese mit diesen Qualifikationen, wäre sie längst hier. Natürlich nur, wenn ich sie schon geheiratet hätte, bevor ich meinen Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegt hatte, was bei einem deutschen Staatsbürger im Normallfall schwer sein dürfte.

Nr. 8 macht mich dann richtig sauer. Ein forschender Ausländer, der kurz davor ist, in Deutschland dauerhaft zu leben, darf seinen Ehepartner ohne Deutschkenntnisse nachholen. Aber ein in Deutschland aufgewachsener, ausgebildeter Deutscher darf das nicht? Das ist absurd.

Kurz: Das Gesetz zum Ehegattennachzug bevorzugt in Deutschland lebende Ausländer und benachteiligt Deutsche. Das war nicht die Absicht des Gesetzes, aber das ist passiert. Natürlich kann man sagen, dass es vielleicht mal eine interessante Erfahrung für Deutsche ist, denn normalerweise, werden Ausländer benachteiligt, dennoch ist es nicht richtig, denn der Gleichheitsgrundsatz gilt für alle.

Bleiben in unserer kleinen Analyse noch die Nr. 2, 3 und 6. Nr. 2 ist dabei recht einfach zu verstehen und zum Glück gehört meine Frau nicht in diese Kategorie. Wären wir besonders fies, würden wir sicherlich einen Arzt finden, der ein entsprechendes Attest ausstellt. Nr. 6 spielt auch keine Rolle, denn es gibt in Kinshasa ja Schulen. Die sind zwar schlecht, aber es gibt sie.

Bleibt noch nur Nr. 3. Diese Ausnahme ist besonders kurios. Sprache ist der Schlüssel zur Integration, diese Binse wird immer wieder von Politikern genutzt. Das ist natürlich Unsinn. Arbeit ist der Schlüssel zu Integration. Es gibt in diesem Land Menschen, die arbeiten bei internationalen Unternehmen seit Jahrzehnten und sprechen kein Deutsch, weil sie es in der Arbeit nicht brauchen, nach der Arbeit zu Hause sind und auch an den Wochenenden nicht an der deutschen Gesellschaft partizipieren. Wer in meinen Integrationskursen sitzt und eine Arbeit hat, bei der er mit anderen Menschen interagieren muss, die nicht seine Sprache sprechen, spricht immer besser Deutsch als viele von diejenigen, die auf die Leistungen des Jobcenters angewiesen sind. Nr. 3 führt diese Wahrheit klar vor Augen. Wer keinen Integrationsbedarf hat und deswegen nicht an einem Integrationskurs teilnehmen muss, braucht kein Deutsch lernen. Die Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (IntV) macht dies in § 4 besonders deutlich:

(2) Ein Teilnahmeanspruch nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 besteht nicht bei erkennbar geringem Integrationsbedarf (§ 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes). Ein solcher ist in der Regel anzunehmen, wenn

1. ein Ausländer

a) einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss oder eine entsprechende Qualifikation besitzt, es sei denn, er kann wegen mangelnder Sprachkenntnisse innerhalb eines angemessenen Zeitraums keine seiner Qualifikation entsprechende Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet erlaubt aufnehmen, oder

b) eine Erwerbstätigkeit ausübt, die regelmäßig eine Qualifikation nach Buchstabe a erfordert, und

2. die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich der Ausländer ohne staatliche Hilfe in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben der Bundesrepublik Deutschland integrieren wird.

Ich würde ja sagen, dass meine Frau, die die Ehepartnerin eines evangelischen Presbyters, des Vorsitzenden eines Bürgervereins, des Beirats eines weiteren Bürgervereins, des Vorsitzenden eines Vereins für Denkmalschutz, eines Buchautors, und Lehrers für Deutsch als Fremdsprache ist, einen geringen Integrationsbedarf hat und deswegen die Sprache nicht lernen muss. Aber das alles zu überprüfen, dazu hat die Botschaft in Kinshasa keine Zeit, kein Personal und vor allem keine Lust.

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