Bei aller Entwicklung, die das Leben der Menschen in der Vormoderne, also der Zeit vor dem Beginn der Industrialisierung, erlebte, änderte sich doch seine Lebensumwelt kaum. Der Boden, auf dem er wohnte, war die Grundlage seiner Existenz. Warf der Boden nichts mehr ab, schwenkte er eben auf andere Früchte um oder suchte sich eine andere Beschäftigung. Die Veränderungen im Verhalten des Menschen traten langsam ein, oftmals war er eher von den Ereignissen getrieben, als dass er selbst groß gestaltete. Das Wechselspiel zwischen Umwelt und Mensch entschied die Umwelt zwar in weiten Teilen immer noch für sich, aber dennoch trugen die Eingriffe des Menschen in seine Umwelt dazu bei, seine eigene Lebenswelt mehr und mehr zu verändern. Das einfachste Beispiel dafür ist die Landwirtschaft.
Aus der Beyenburger Amtsrechnung von 1467 geht hervor, dass in Wichlinghausen vor allem Hafer wuchs. Die Abgaben, die aus dem Großraum Wichlinghausen jährlich nach Beyenburg abgeführt wurden, betrugen insgesamt 14,5 Malter und 25 Scheffel Hafer. Im Vergleich mit den drei Höfen im Clausen, die bei 20 Malter und 3 Scheffel lagen, oder mit Heckinghausen, wo 36,5 Malter und 1 Scheffel Hafer von 13 Höfen abgegeben werden, produzierten die sechs Wichlinghauser Höfe recht wenig. Mit dieser Abgabenverteilung entsprach Wichlinghausen dem restlichen Bergischen Land. Überall in diesem Herrschaftsbereich wurde wesentlich mehr Hafer produziert als etwa Roggen, Gerste oder gar Weizen. Die Gründe für den Anbau von Hafer liegen zum einen darin, dass er recht einfach anzubauen ist. Die Tatsache, dass in Wichlinghausen dennoch recht wenig Hafer angebaut wurde, lässt darauf schließen, dass selbst für diese recht anspruchslose Pflanze der Boden in Wichlinghausen immer weniger geeignet war.
Die Beyenburger Amtsrechung zeigt schließlich noch eine dritte ausschließlich aus Wichlinghausen stammende Abgabe, die so speziell ist, dass sie unter der Liste der Schweineabgaben zu finden ist, zu der kein Wichlinghauser etwas beitragen musste. Vom Goebbel Roggen Hof bekam der Amtmann in Beyenburg ein Pfund Pfeffer. Ich halte es für ausgeschlossen, dass es sich hierbei tatsächlich um Pfeffer handelt. Vielmehr wird sich dahinter eine mittelhochdeutsche Ableitung des Wortes phëfferunge verbergen, was einfach Würze bedeutet. Die Tatsache, dass diese Abgabe bei dem Schuldgeld für Schweine beigegeben ist, ist eventuell ein Hinweis darauf, dass aus Wichlinghausen eine besondere Würze kam, um dieses Fleisch schmackhafter zu machen. Was genau sich hinter dieser Abgabe verbirgt, ist aber nicht mehr zu klären.
Die klassische Einteilung der Landwirtschaft sieht neben dem Ackerbau auch immer die Nutztierhaltung als ein weiteres Element an. Im späten Mittelalter sind es vor allem Hühner, die sich im Großraum Wichlinghausen in recht hoher Zahl finden. Von der Leimbach und dem Hatzfeld über Riescheid bis an den Markt mussten die Wichlinghauser insgesamt 22 Hühner abgeben. Vier davon kamen direkt vom Wichlinghauser Markt, namentlich vom Wyneke, Goebel und Göckel Hof. Das Klingelholl und das Dahl gaben jeweils zwei Hühner ab, im nördlichen Wichlinghausen vom Hatzfeld und Dickten die Leimbach (zwei Höfe) hinunter waren jeweils zwei Hühner fällig, am Bereich der mittleren Leimbach und auf Riescheid jeweils eines. Im Jahre 1640 wurde etwa die Zahl der Pferde in Barmen festgestellt. Der Inhaber des Radtmecher Hofes in Wichlinghausen, Peter im Backhaus, besaß ein Pferd, ebenso wie der Sohn Johann Beckmans in der Leimbach. Damit gehören von den 17 Pferden, die in Barmen verzeichnet sind, immerhin zwei zum Bereich Wichlinghausens. Der Hof Haarhausen im Norden Wichlinghausens lieferte um 1150 Rinder und Schweine sowie Schafe und Ziegen an das Kloster Werden. Während des 7jährigen Krieges im 18. Jahrhundert brach eine Viehseuche in Wichlinghausen aus, die nicht nur sehr lange andauerte, sondern auch nur wenige Kühe übrig ließ. Die Seuche griff auf Clausen, Carnap und Uellendahl über, so dass davon auszugehen ist, dass diese Seuche vor allem nördlich des Marktes in den Bereichen Bilten, Müggeburg, Markland und auch Westkotten und Hohrath ausbrach und sich von dort weiter nach Westen verbreitete.
Das Gebiet Wichlinghausen war zudem ein sehr waldreiches Gebiet. Im Norden und Westen standen Erlen im Erlacker Busch. Daran schloss sich der Dickter Busch und auch der Bram an. Am Riescheider Berg wuchsen Hochbuchen, am Klingeholl müssen dem Namen nach recht hohe Bäume gestanden haben, da man hier von Langenbuschen sprach. Zwischen Klingelholl und Leimbach stand das Semelter Büschchen. Teileweise gehörten diese Wälder auch zu den Grundstücken der Hofbesitzer, wie im Falle des Klingeholls, dem 11 Morgen Busch zugehörig waren. Für die Leimbach, Riescheid und auch das Westkotten gilt ähnliches. Auch Wälder am Sonnabend und am Fatloh sind belegt.
Unter solchen Bedingungen wäre es wirtschaftlich grob fahrlässig, wenn man den Wald nicht für seine Zwecke genutzt hätte. Diese Nutzung konnte auf zweierlei Art geschehen. Zum einen konnte man die Waldgebiete roden, so dass man nicht nur Holz, sondern auch zusätzliche Fläche für die Landwirtschaft zur Verfügung hatte, zum anderen konnte man den Wald selber als landwirtschaftliche Fläche nutzen. Beide Fälle sind bekannt. Während des 14. und 15. Jahrhunderts kam es im Bergischen zu zahlreichen Rodungen der Wälder. Zur gleichen Zeit wurden die Wälder neu bepflanzt. Die zunächst nur vereinzelt auftretenden Eichen kamen im Verlauf des Mittelalters hinzu, als besseres Holz benötigt wurde, als es die Buchen brachten.
Die Nutzung des Waldes als landwirtschaftliche Fläche bedeutet aber auch, dass man in den Wäldern Schweine hielt. Diese konnten sich von Bucheckern und später auch den Eicheln ernähren. Die im Mittelalter genutzten Schweine darf man sich jedoch nicht so wie die heutigen Tiere vorstellen. Die Hausschweine des Mittelalters waren relativ hochbeinig und flink, unter Umständen kaum von ihren wilden Verwandten zu unterscheiden. Die natürlichen und durch den Menschen geschaffenen Bedingungen sind also für die Schweinehaltung in Wichlinghausen ideal gewesen, so dass die Wupperfelder Ende des 18. Jahrhunderts das Dorf Wichlinghausen wohl nicht zu Unrecht als Ferkelsdorf bezeichneten.