Die Familie „Equidae“ in Afrika – kulturelle Übersetzung zwischen Afrika und Europa am Beispiel des Pferdes

I. Einleitung

„Muss man wirklich daran erinnern, dass in den Umweltwissenschaften die begriffliche Meinungsführerschaft nicht bei den Historikern liegt? “[1]

Mit diesen Worten kritisiert der Anthropologe Bernd Hermann (Göttingen) das Überblickswerk zur Umweltgeschichte der Frühen Neuzeit von Reinhold Reith[2]. Er macht damit auf ein Problem aufmerksam, das immer wieder auffällt. Umwelthistoriker, und zu dieser Gattung gehören Tierhistoriker nun auch, haben beinahe keinen Kontakt zu ihren Kollegen in den Naturwissenschaften und konsultieren darüber hinaus kaum deren Bücher. Anhand des Bakteriums läßt sich das sehr deutlich machen. Dem Tierforscher gilt es als nicht kulturwissenschaftlich erforschbar[3], wenn man aber schon sublime biologische Grundkenntnisse zur Hilfe nimmt, kann man dieses Dilemma schnell und sogar elegant auflösen: Da Bakterien über keinerlei Zellkern verfügen, gehören sie gar nicht in die Domäne der Eukaryoten, zu denen aber alle Tiere gehören und somit auch nicht in die Taxonomie Tier, welches ja im besten Fall den Schwerpunkt eines Tierhistorikers bilden sollte[4].

Dieser Anfang bedarf der Erklärung, zumal im Kontext von kulturphilosophischen Raumtheorien. Wer über Räume spricht, der darf geographische Naturräume ebensowenig außen vor lassen wie artifizielle Kulturräume, da beide gegenseitig bedingen. Der geographische Raum, zu dem die gesamte Umwelt gehört, prägt den kulturellen Raum. Ohne eine Bestimmung des ersten ist eine Analyse des zweiten nur schwerlich möglich. Im Folgenden soll daher probiert werden, mit einer solchen Analyse, die nur kurz und oberflächlich ausfallen kann, anhand der Familie der „Equidae“ dem tierischen Raum Afrikas näher zu kommen.

In einem ersten Teil soll durch prähistorische Zeugnisse der geographischen Raum untersucht werden, in dem die natürlichen Verbreitung der „Equidae“ stattgefunden hat, um dann in einem zweiten Teil mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen die Bildung zweier unterschiedlicher Kulturräume darzustellen, deren Übersetzung dann einen dritten Teil darstellen soll.

II. Natürliche Verbreitung der „Equidae“

Ich möchte damit beginnen, einführend erst einmal den Begriff „Familie“ innerhalb der biologischen Taxonomie zu klären. Als „Familie“ wird dabei das Taxon über der Gattung und unterhalb der Ordnung bezeichnet[5]. Um es am Pferdebeispiel deutlich zu machen. Das Pferd gehört zusammen mit Rhinozeros und Tapir zur Ordnung der Unpaarhufer. Es bildet zusammen mit Esel und Zebra die eigene Familie der Pferdeartigen bzw. „equidae“. Die Einmaligkeit dieser drei Tiere läßt sie sogar dieselbe Gattung, die der „equus“, bilden.

Die Entwicklungsgeschichte des Pferdes gehört innerhalb der Evolutionsbiologie zu den best dokumentierten aller Säugetiere. Ihren Ursprung nahm diese Entwicklung in Amerika vor 58 Millionen Jahren, wie paläontologische Funde belegen[6]. In Koevolution mit den Hundeartigen fand eine Wanderbewegung statt[7], die andere Urformen des Pferdes über die Beringstraße nach Asien trieb, von wo aus die Verbreitung nach Europa und Afrika ihren Anfang nahm. Dort schließlich kamen die Vorläufer der heutigen Arten vor 10 – 15 Millionen Jahren an. Erst dannach drangen sie nach Südamerika vor. Innerhalb dieser Epoche des Miozäns starben viele Mitglieder der Familie aus und einzig Dinohippos blieb, aus dem sich die heutigen Mitglieder der Familie entwickelten[8].

Abgesehen vom australischen Kontinent entwickelten sich Pferde demnach überall auf der Welt. Jedoch starben die Pferde aus bisher unbekannten Gründen vor etwa 10.000 Jahren auf dem amerikanischen Kontinent aus, so daß es lediglich in der Alten Welt zur Begegnung von Mensch mit dem Pferd, dem Esel und  dem Zebra kam. Für die Art des Wildpferdes führte dieser Kontakt im Gebiet des Don und des Dnjepr zur Domestizierung vor etwa 7000 Jahren[9]. Von diesem zentralen Ort aus verbreitete sich das Hauspferd nach Asien,  in den Nahen Osten und auch nach Europa.

Afrika jedoch ist eher für zwei andere Arten der Familie der „Equidae“ bekannt. So war der Afrikanische Esel ein Erfolgsmodell, das sich im gesamten Maghreb bis in den Nahen Osten wiederfand. Seine Domestizierung fand im Fruchtbaren Halbmond vor 6000 Jahren statt, in Nordafrika ist sie vor 4000 Jahren belegt. Sein Nutzen als Reit- und Tragetier sorgte für eine Verbreitung im gesamten Mittelmeerraum und später hinein nach Europa.

Die zweiten Mitglieder der Familie in Afrika, die Zebras, sind die einzigen, die sich den südlichen Teil des afrikanischen Kontinents zu eigen machten. Warum es einzige diese Art war, die dazu im Stande war, war lange Zeit ein Rätsel, das zunächst damit erklärt wurde, daß sich aus evolutionärer Sicht die Streifen des Zebras als besonders nützlich gegen Prädatoren erwiesen hätten, so daß sich besonders die gestreiften Urformen des Pferdes durchsetzen konnten. Bereits Anfang der 1980er Jahre machte jedoch Jeffrey Waage darauf aufmerksam, daß dies nicht der Grund sein könne.  Er wies durch ein Experiment nach, daß die Streifen nicht das Großwild sondern vielmehr die Tsetsefliege abschreckten[10]. Da diese die auch für Pferde tödliche Krankheit der Malaria überträgt, überlebten letztlich nur die gestreiften Exemplare, aus denen sich schlußendlich die Art der Zebras entwickelte. Im Gegensatz zu ihren Verwandten im Norden, fand eine – zumindest dauerhafte – Domestizierung dieser Tiere nicht statt.

III. Kulturräume der „Equidae“

Nach diesen reinen geographischen, enzyklopädischen Betrachtungen zum Raum der Tiere, soll es nun im zweiten Teil um den Kulturraum gehen. Aus dem ersten Teil sind zwei Umstände dabei im Hinterkopf zu behalten.

  1. Die Familie der „Equidae“ ist in Wild- bzw. Hausformen in Europa und Afrika bekannt.
  2. Eine Domestizierung von Pferd und Esel fand in Europa und dem Mittelmeerraum,        nicht aber im subsaharischen Afrika statt.

Damit ist nun ein Rahmen abgesteckt, der näher betrachtet werden soll. In einer Kultur mit domestizierten Pferd entwickelt sich eine andere Funktion des Pferdes im Raum, als in einer Welt ohne Domestizierung des Huftiers.

Zunächst soll dieses Funktion am Beispiel des „Equus ferus caballus“ näher untersucht werden. Dieses läßt sich noch immer am ehesten mit einem Zitat aus dem Buch Hiob bewerkstelligen:

„:הֲתִתֵּן לַסּוּס גְּבוּרָה הֲתַלְבִּישׁ צַוָּארוֹ רַעְמָה

:הְתַרְעִישֶׁנּוּ כָּאַרְבֶּה הוֹד נַחְרוֹ אֵימָה

יַחְפְּרוּ בָעֵמֶק וְיָשִׂישׂ בְּכֹחַ יֵצֵא לִקְרַאת־נָשֶׁק׃

:יִשְׂחַק לְפַחַד וְלֹא יֵחָת וְלֹא־יָשׁוּב מִפְּנֵי־חָרֶב

עָלָיו תִּרְנֶה אַשְׁפָּה לַהַב חֲנִית וְכִידוֹן׃

:בְּרַעַשׁ וְרֹגֶז יְגַמֶּא־אָרֶץ וְלֹא־יַאֲמִין כִּי־קוֹל שׁוֹפָר

[11]:בְּדֵי שֹׁפָר יֹאמַר הֶאָח וּמֵרָחוֹק יָרִיחַ מִלְחָמָה רַעַם שָׂרִים וּתְרוּעָה“

Das Pferd trennt in allen Regionen, in denen es domestiziert wurde, den Krieg vom Frieden. Die oben genannte Stelle aus Hiob macht dies deutlich. Die dort dargestellten kriegerisch-negativen Attribute des Pferdes sind vor allem darauf zurück zu führen, daß die Hebräer immer wieder von den Heeren der Ägypter und der Völker Mesopotamiens angegriffen wurden[12]. Wäre dieser Umstand nicht, kaum gäbe es die aggressive Kriegsassoziation. Davon abgeleitet trennt das Pferd auch den sozialen Raum. Egal ob römischer Eques oder mittelalterlicher Ritter, immer zeugt der Besitz des Pferdes von hohem Einkommen und auch einem hohen sozialen Prestige. Es erfüllt somit die Funktion eines Raumtrenners. Dabei handelt es sich mitnichten um ein europäisches Phänomen. Auch in Asien ist dieses deutlich. Als Beispiel sei hier nur kurz auf die Pferdestatuen im Mausoleum des Ersten Kaisers von China,  Qin Shihuangdi, verwiesen, die in nicht geringer Menge zu seiner Terrakottaarmee gehören[13]

Für den Esel, der für den kriegerische Einsatz und damit für eine ehrenvolle Funktion nicht eingesetzt wurde, muss anderes gelten. Als Tier des alltäglichen Lebens ist seine Funktion im Raum der Pferde domestizierenden Kulturen eine andere. Er ist unverzichtbares Instrument für Landwirtschaft und Handel. Sein Aufgabenfeld besteht im Tragen von Lasten und zum Teil auch von Personen. Dabei ist die Ausgangslage für diesen Dienst am Menschen alles andere als ideal. Der Esel gilt als störrisch und sein in manchen Fällen auftretende Widerwille dem Menschen zu gehorchen, brachte ihm zudem den Leumund des dummen Esels ein. Freilich zeigt sich in diesem Verhalten oft eine große Vorsicht, die sich am alttestamentalischem Beispiel der Eselstute des Propheten Bileam aufzeigen läßt. Als dieser sich gegen die Weisung Gottes wendet, und seinem Auftrag nachgehen möchte, zudem er auf seinem Esel reiten muss, verhält sich das Tier seltsam und bleibt schließlich auch mitten in einer Schlucht stehen. Voller Ungeduld schlägt Bileam seine Stute, bis ihm plötzlich der Grund für deren Verhalten vor Augen erscheint. Für ihn wird der Engel sichtbar, der ihn mit dem Schwert erschlagen soll, wenn er nicht augenblicklich umkehrt. Seine Eselin freilich hatte den Engel schon die gesamte Zeit bemerkt, wodurch sich ihr Verhalten im Nachhinein erklärt[14].

Welche Rückschlüsse lassen sich aus diesem Verhalten zur Funktion des Esels im europäischen Kulturraum ziehen? Der Esel ist in erster Linie ein ganz realer Raumüberbrücker. Seine Stärke liegt im Transport von Personen und Material. Tiefer gehend, hat er zudem, das zeigt die Erzählung um Bileam, die Eigenschaft des vorsichtigen Wahrnehmens von Räumen und besitzt so eine Schutz- und Abschirmfunktion für den Menschen.

Dennoch, wird der Esel oftmals unterschätzt, so etwa dann, wenn Frederick Zeuner behauptet, dass „der wichtigste Beitrag des Esels für die Tierzucht sein Anteil an der Entstehung des Maultiers“[15] gewesen sei. Die Entstehung dieser Tiere, die aus der Kreuzung zwischen Pferdestute und Eselhengst entstehen, beginnt alles Kenntnis nach in der 1. Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. in Mesopotamien[16]. Für großangelegte Züchtungen sind in früherer Zeit vor allem die Araber verantwortlich, die in ihrem von Spanien bis an das Rote Meer reichendem Einzugsgebiet diese Züchtungen vorantreiben[17].

Dieser Umstand führte in Spanien zu eine regionalen Besonderheit in Bezug auf die Nutzung des Maultiers zur Zeit der Reconquista. Mit einem Erlaß König Alfons X. wird 1248 das Maultier zu einer Raumtrenner in Spanien. Der Erlaß verbietet Edelmännern auf Maultieren zu reiten. Einzig Frauen und Klerikern war diese Fortbewegung noch erlaubt[18]. So wurde durch das Maultier plötzlich eine multidimensionale Trennung vollzogen, die in diesem Fall zwischen den Geschlechtern und den Ständen verlief. Darüber hinaus war ein solches Edikt auch gegen den arabischen Einfluß gerichtet, so dass das Maultier auch zwischen Spaniern und Arabern differenzierte.

Von dieser regionalen Besonderheit abgesehen, steht das Maultier, dessen Nutzung der des Esels gleicht und ihm somit auch seiner räumlichen Funktion nacheifert, in dem Pferde domestizierenden Kulturraum für einen bemerkenswerten Bruch zwischen den bisher beschriebenen Räumen von Natur und Kultur. Waren diese bisher gleichwertig, erreicht der domestizierende Mensch mit den künstlich geschaffenen Hybriden zwischen den Arten Pferd und Esel eine Entwicklungsstufe, die den Kulturraum vom Naturraum nicht bloß trennt, sondern diesen auch überwindet. 

Wenn man diese Überlegungen zum Pferde domestizierenden Kulturaum zusammenfasst, so sind einige wenige Aspekte Ausschlag gebend. Der Mensch dieses Kulturraums scheint sich durch die Macht der Zucht dem Naturraum überlegen zu fühlen, kann seinen sozialen Raum durch den Besitz von Pferden einteilen und beherrscht den geographischen Raum durch Ausnutzung tierischer Eigenschaften.

Wechselt man auf den afrikanischen Kontinent und schaut die räumliche Funktion des nicht domestizierten Zebras an, so erkennt man zunächst große Unterschiede. Der auffälligste liegt sicherlich im Umgang mit der Natur. Fühlt sich der Pferde domestizierende Mensch dieser überlegen, so ist der nicht domestizierende mit dieser eher in Verbindung, so dass das Zebra, eine Beziehung zwischen dem Kulturraum des Menschen und dem Raum der Natur herstellt. Der Stamm der Manyika im heutigen Zimbabwe ist dabei besonders dem Zebra zugetan. Hier scheint eine Totemfigur sogar Verwandtschaft zwischen Klan und Zebra aufzuzeigen[19].

Dieser erste Eindruck jedoch muss bei weiteren Betrachtungen revidiert werden. Auch bei einigen afrikanischen Kulturen ist das Zebra als Raumtrenner bekannt. Auffällig ist die Ähnlichkeit zum weiter oben beschriebenen Kulturkreis. Im Bereich des Kongo etwa ist das Zebra, wenn auch nicht ausschließlich, Zeichen des Herrschaftskults, wenn etwa sein Schenkel den Häuptling kennzeichnet oder die Anführer in Tieren wie dem Zebra wiedergeboren werden[20]. Die Quellenlage zum Umgang mit diesem Tier ist aber merklich rarer als bspw. zu Löwe und Elefant. Auf Forschungen in dieser Richtung darf daher noch gehofft werden.

IV. Kulturelle Übersetzung

Da nun beispielhaft geklärt ist, welche Bedeutung den Tieren in unterschiedlichen kulturellen Räumen zukommt, gilt es aufzuzeigen, wie sich die kulturelle Übersetzung zwischen ihnen darstellt. Frühste Zeugnisse von Übersetzung dieser verschiedenen räumlichen Vorstellungen findet man z. B. im Mittelalter. So weisen zahlreiche arabische Reiseberichte des 11. – 13. Jahrhunderts bereits auf eine Etablierung des Pferdes als Statussymbol hin[21], was auch noch später gilt, wie etwa Valentin Ferdinand zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu beschreiben weiß:

“Diese Sanhaja gehen über Land nach Safi, das über 200 Leugen entfernt ist und kaufen dort Pferde und bringen sie zu den Jolofs der Schwarzen und tauschen sie gegen Sklaven. Diese Sklaven bringen sie nach Arguim, um sie an Christen gegen Getreide und Kleidung zu verkaufen. Und einige dieser Dinge bringen sie dann wieder zu den Mohren und geben sie für Pferde wieder ab.”[22] 

Wie läßt sich dieser rasche Aufstieg des Pferdes erklären? Zwei sich ergänzende Möglichkeiten sollen angerissen werden. Zunächst eine rein wirtschaftliche. Da Pferde vor allem als Handelsgut galten, wird der nicht gerade niedrige Preis von Pferden, zu dem die arabischen Händler diese Ware verkauften, dafür gesorgt haben, daß eine besondere Wertschätzung der Pferde begonnen hat, die einher ging mit ihrer Bedeutung als Zeichen des Prestige, oder kurz: Das Pferd kostete viel, ist somit ein Luxusgut und daher nur einem begüterten Personenkreis vorbehalten! Die gleichzeitig implizierte sozial-räumliche Dimension liegt geradezu auf der Hand. Da bereits vorher über das Zebra eine sozial höhere Stellung des Häuptlings etabliert war, konnte ohne Probleme auch das Pferd in diese räumliche Vorstellung integriert werden.

Zu Maultier und Esel sind solche Berichte nicht bekannt. Als Nutztiere wurden sie vor allem dann eingeführt, als man im 19. Jahrhundert mit der Besiedlung Afrikas begann. Wie auch schon in früheren Zeiten[23] führte erst diese Bewegung und mit ihr die Einfuhr des europäischen Landwirtschaftssystems zu weitreichenden Veränderungen. Beispielhaft sei daran erinnert, daß während der deutschen Kolonalisierungsbemühungen auch die Pferde- und Maultierzucht in Deutsch-Südwestafrika eingeführt wurde[24].

Ein Blick auf den Umgang der Europäer mit der Fauna Afrikas scheint nach den bisherigen Ausführungen angebracht. Am Beispiel der Zebras von Baron Rothschild sei dies abschließend gezeigt. Rothschild, 1868 als Sohn einer Bankiers-Dynastie geboren, war ein begeisterter Amateur-Zoologe, der sich besonders mit Vögeln und Schmetterlingen befasste. Die Fauna Afrikas jedoch hatte es ihm in all ihrer Vielfalt besonders angetan. Gestützt auf das immense Vermögen seiner Familie errichtete er einen Privatzoo, in dem er im Stil der frühneuzeitlichen Menagerie Tiere aus allen Ländern des Britischen Empires ausstellte. Darunter waren auch Zebras, mit denen es eine besonders Bewandtnis hatte. Die nie domestizierten Tiere wurden von Rothschild so dressiert, daß sie in der Lage waren, Kutschen zu ziehen, was er auch, mit einer Fahrt durch London bis in den Vorhof des Buckingham Palace, publikumswirksam vorführte[25]. Darüber hinaus reihte er sich auch in die Reihe derer ein, die Hybriden zwischen Pferden bzw. Eseln und Zebras erzeugten[26], von den auch Darwin schon geschrieben hatte[27].

Zur Deutung von Rothschilds Benehmen gegenüber den Zebras braucht nicht viel gesagt werden. Er wendet einfach das Denken der Pferde domestizierenden Kultur auch auf das nicht domestizierte Tier an und verschob so das Zebra von dem nicht domestizierenden Kulturraum in den Pferde domestizierenden. Die Frage, welchem Mitglied der Familie der Pferde das Zebra angepasst wird, steht noch aus. Allein, eindeutig zu klären ist sie nicht. Rothschild benutzte Zebras in erster Linie als Zugtiere, eine Aufgabe, die im 19. Jahrhundert sowohl Pferde als auch Esel vollbrachten.  Rothschild wird allerdings auch beim Parcoursreiten auf einem Zebra gezeigt[28], einem Sport, der  ausschließlich mit Pferden veranstaltet wird. Seine Versuche mit den Pferd-Zebra-Hybriden sind schließlich die Wiederholung dessen, was bereits mit Pferd und Esel passierte: Ein Versuch, den natürlichen Raum zu überwinden. 

Rothschild läßt sich in seinem Umgang mit den Zebras in kein spezifisch traditionelles Muster packen, dennoch besitzen die Zebras für ihn eine Bedeutung im Raum. Sie waren sein Mittel den öffentlichen Raum zu durchschreiten und auf sich aufmerksam zu machen.  

V. Zusammenfassung

In diesem Vortrag konnten zwei unterschiedliche Arten von Raum aufgezeigt werden. Zum einen wurde die einfachste Bedeutung von „Raum“, die geographisch, genutzt, um die natürliche Verbreitung der Familie der „Equidae“ aufzuzeigen. In einem weiteren Schritt wurde die durch Menschen gemachte Verbreitung der Tiere verdeutlicht und anhand von einzelnen Beispielen gezeigt, daß diese wenn auch zunächst nur geographische Verbreitung, mit dem Übersetzen von Raumvorstellungen zwischen den Kulturen, einherging. Dominierend dabei ist hier vor allem der europäische Zugang zur Raumbedeutung des Tieres, der sich auf afrikanische Lebensräume auswirkte bzw. seine Vorstellungen auf die afrikanische Tierwelt übertrug.  

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[1]Herrmann, Bernd: Rezension zu: Reith, Reinhold: Umweltgeschichte der Frühen Neuzeit. München 2011, in: H-Soz-u-Kult, 21.12.2011, (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-4-207).

[2]Reith, Reinhold: Umweltgeschichte der Frühen Neuzeit. München 2011.

[3]Vgl.: Krischke, Wolfgang: Stimmen der Kreatur. Tierhistoriker kämpfen um Anerkennung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Januar 2011, N4.

[4]Diese Aussage ist so banal, daß sie im Standardwerk der biologischen Ausbildung an Universitäten ohne Probleme zu finden ist, vgl.:  Sadava, D./Hillis, D.M./Heller, H.C./Berenbaum, M. R.: Purves Biologie, hrsg. von Jürgen Markl, München 92011, 661f.

[5]Vgl.: Purves, 623.

[6]Vgl.: MacFadden, Bruce J.: Fossil Horses: Systematics, Paleobiology, and Evolution of the Family Equidae, Cambridge 1994, 304.

[7]Vgl.:  Wang, Xiaoming/Tedford, Richard H.: How Dogs Came to run the World, in: Natural History, July-August 2008, 18-23.

[8]Vgl.: Nowak, Ronald, M.: Walker’s Mammals of the World Vol. II, Baltimore/London 51991, 1306.

[9]Vgl.: Benecke, Norbert: Der Mensch und seine Haustiere, Stuttgart 1994, 292.

[10]Waage, Jeffrey K.: How the Zebra got its stripes – biting flies as selective agents in the evolution of Zebra coloration, in: Journal of the Entomological Society of South Africa, 1981, Vol. 44, 2, 351 – 358. Sie wurden vor kurzen sogar bestätigt, vgl.: Egri, Ádám/Blaho, Miklós/Kriska, György/Farkas, Róbert/Gyurkovszky, Mónika/ Åkesson, Susanne, Horváth, Gábor: Polarotactic tabanids find striped patterns with brightness and/or polarization modulation least attractive: an advantage of zebra stripes, in: The Journal of Experimental Biology 215 (2012), 736-745.

[11]Hiob, 39, 19-25: Gibst Du dem Pferd die Stärke, legst Du ihm die Mähne an? Machst Du es springend wie die Aribä (eine Heuschreckenart), sein prächtiges Schnauben ist schrecklich. Es scharrt in der tiefen Ebene und es freut sich seiner Kraft, es zieht aus, den Rüstungen entgegen. Es verlacht die Furcht, erschreckt nicht und wendet sich nicht wegen des Schwerts. Über ihm klirren sie, der Köcher, der blitzende Speer und der Wurfspieß. Mit Ungestüm und Zorn streift es die Erde und ist nicht unsicher, wenn die Trompete laut ertönt. So oft die Trompete ruft, sagt es: Siehe da! Aus der Ferne wittert es die Schlacht, die donnernden Stimmen der Feldherren und das Kriegsgeschrei. Übersetzung aus dem Hebräischen von H.S.

[12]Vgl.: Schroer, Silvia: Die Tiere der Bibel. Eine kulturgeschichtliche Reise, Freiburg 2009, 61f.

[13]Vgl.: Die wiedererwachte Terrakotta-Armee der Qin-Dynastie, Peking 2004.

[14]Vgl.: Num. 21-35.

[15]Zeuner, Frederick:  Geschichte der Haustiere, München u. a. 1967, 323.

[16]Vgl.: Benecke, Mensch und Haustiere, 319.

[17]Vgl.  Grzimek, Bernhard: Ohne Rasse, ohne Art. Von Pferdehengst und Eselstute, in: Die Zeit 11 vom 5. März 1976, 56.

[18]Vgl.:Ebenda.

[19]Vgl.: Sicard, Harald von: Das Gebiet zwischen Sambesi und Limpopo, in: Baumann, Hermann(Hrsg.): Die Völker Afrikas und ihre traditionellen Kulturen. Teil 1. Allgemeiner Teil und südliches Afrika, Wiesbaden 1975, 467.

[20]Vgl.: Vansina, Jan: Südkongo, in Baumann, 668f.; Born, Klaus: Nordkongo – Der Westen, in: Baumann, 696.

[21]Vgl.: Elbl, Ivana: The Horse in Fifteenth-Century Senegambia, in: The International Journal of African Historical Studies, Volume 24, No. 1 (1991), 89.

[22]Zitiert nach: Elbl, Horses, 99, übers. aus dem Englischen von H.S.

[23]Beispielhaft sei hier etwa die Besiedlung Südamerikas erwähnt, von der bereits im 18. Jahrhundert berichtet wurde, dass „ die Einführung der europäischen Haustierrassen auf die Stämme zwischen Santiago und der Magellanstraße den nachhaltigen Einfluß ausgeübt“ hat, Lapérouse, Jean-Francois:  Zu den Klippen von Vanikoro. Weltreise im Auftrag Ludwigs XVI. 1785-1788, hrsg. und übers. von Klaus Fischer, Berlin 1987, 43f.

[24]Vgl.: Leutwein, Paul: Deutsch-Südwestafrika. Die Wirtschaft, in: Schwabe, Kurd/Leutwein, Paul: Die deutschen Kolonien, Berlin 1924 (Nachdruck von 2009).159f.

[25]Vgl.: Gray, Victor: Something in the Genes: Walter Rothschild, Zoological Collector Extraordinaire, 2006, in: http://www.rcseng.ac.uk/museums/events/Docs/ (2. März 2012)

[26]Vgl.: http://www.messybeast.com/genetics/hybrid-equines.htm (2. März 2012).

[27]Vgl.: Darwin, Charles: The Variation of Animals and Plants Under Domestication, Vol 2, Fairfoird (UK) 2007, 13.

[28]Vgl.: http://agaudi.files.wordpress.com/2009/03/zebra-tame-jumping.jpg (2. März 2012).

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