Beginnen wir mit dem Ende. Die berühmten Comicalben um den Revolverhelden Lucky Luke schließen immer gleich. Der Held reitet auf seinem getreuem Hengst Jolly Jumper, dem schnellsten Pferd des Wilden Westens, in den Sonnenuntergang. In matten Rottönen verschmelzen Mann und Pferd mit der Umgebung des unbezwungenen Westens. In keinem anderen Bild symbolisiert sich die Freiheit des Westens so sehr wie in diesem Comic des belgischen Zeichners Morris. Das Pferd dient hier als Zeichen der Unabhängigkeit des Einzelnen.
Morris freilich erfand diese Symbolik nicht. Vielmehr sind seine Comics Parodien auf die gesamte Facette der Wildwestromantik. Ausgehend von Coopers „Lederstrumpf“-Serie, in der die amerikanische Natur und der in ihr ohne Problem zurecht kommende Einzelgänger in Einklang leben, spiegelt sich in dieser Romantik ein edler Naturbegriff wieder, der einer US-amerikansichen Tradition folgend diese Natur zum Gründungsmythos einer gesamten Nation macht. In seiner kommerziellen Nutzung kann dieser Mythos auf den Marlboro-Mann heruntergebrochen werden, einen Mann mit Hut und in Stiefeln auf einem Pferd reitend. Eine ruhigere, friedlichere Szene als diese ist kaum vorstellbar. Das Pferd als Teil einer Symbolik von Freiheit und Frieden.
Eine effiziente Waffe – das Pferd der alten Hochkulturen
Dabei war es am Anfang ganz anders. Ursprünglich mit großer Wahrscheinlichkeit zum Zweck des Fleischerwerbs domestiziert, fand das Pferd überaus schnell eine Funktion, die es bis ins 20. Jahrhundert inne haben sollte. Die natürlichen Eigenschaft des Wildpferdes, vor Angreifern mit einer für den Menschen kaum fassbaren Geschwindigkeit die Flucht zu ergreifen in Verbindung mit seiner ungeheuerlichen Kraft muss schnell zu der Einsicht geführt haben, dass der bloße Fleischverzehr diesem Tier nicht gerecht wurde, zumal andere Tiere diese Funktion weitaus besser erfüllten.
Anzeichen dafür, dass das Pferd recht früh schon als Reittier genutzt wurde, finden sich bereits in Knochenfunden des vierten vorchristlichen Jahrtausends. Es nimmt nicht wunder, dass es die Steppen Osteuropas sind, in denen diese Funde gemacht wurden, nahm von dort aus doch im selben Zeitraum die Domestizierung des Pferdes ihren Lauf und verbreitete sich sowohl nach Europa als auch in den Nahen und Fernen Osten. Waren diese ersten Reitversuche des Menschen vornehmlich ziviler Natur, kommt dem Pferd erst dann eine größere – auch dargestellte – Bedeutung zu, wenn es für den kriegerischen Gebrauch eingesetzt wird. Hethitische Inschriften des 17. Jahrhunderts v. Chr. erzählen von der Belagerung der Stadt Salatiwara durch König Anitta. Während der Schlacht wurde die Stadt ausgebrannt und aus ihr 40 von Pferden gezogene Kampfwagen herausgebracht. Diese Episode frühster Geschichte belegt, dass bereits im zweiten Jahrtausend v. Chr. das Pferd als Kriegsinstrument eingesetzt wurde.
Diese hethische Spezialität der Kriegsführung blieb auch im Zweistromland nicht unbemerkt. Die überlieferten Abbildungen zeugen dabei durchaus von einem Zuchtprogramm, dass über die Jahrhunderte dafür sorgte, dass das ursprüngliche schmale und somit schnelle Pferd einem stärkeren weichen musste. Ein solches Pferd findet sich etwa im Gespann des Assurbanipal (686 – 626 v. Chr.) im Palast von Ninive.
Der Weg des Pferdes über den Sinai ist umstritten. Ab der 18. Dynastie (1550 – 1292 v. Chr.) zeigen sich vermehrt Streitwagen, die die Effizienz von Pferd, Wagen und Lenker unter Beweis stellen. Während zahlreiche altägyptische Pharaonen sich als Wagenlenker darstellen lassen, ist das Reiten auf einem Pferd nur selten zu finden.
Diese reale Nutzung des Pferdes führte innerhalb der beschriebenen Kulturen nicht gleich zu einer Symbolisierung des Pferdes mit dem Krieg. Diese Aufgabe erfüllten vor allem Völker, die Opfer dieser kriegerischen Politik im Nahen Osten wurden. Kaum anderes lassen sich sonst die Worte des alttestamentalischen Propheten Hiob verstehen, der über das Pferd schrieb (Hiob 39, 19- 25):
«Gibst Du dem Pferd die Stärke, legst Du ihm die Mähne an? Machst Du es springend wie Heuschreckenart der Aribä, sein prächtiges Schnauben ist schrecklich. Es scharrt in der tiefen Ebene und es freut sich seiner Kraft, es zieht aus, den Rüstungen entgegen. Es verlacht die Furcht, erschreckt nicht und wendet sich nicht wegen des Schwerts. Über ihm klirren sie, der Köcher, der blitzende Speer und der Wurfspieß. Mit Ungestüm und Zorn streift es die Erde und ist nicht unsicher, wenn die Trompete laut ertönt. So oft die Trompete ruft, sagt es: Siehe da! Aus der Ferne wittert es die Schlacht, die donnernden Stimmen der Feldherren und das Kriegsgeschrei.»
Bei Hiob wird das natürliche Verhalten des Pferdes, das als Fluchttier vor ungewohnten lauten Geräuschen flieht, negiert und das Pferd zu einem kriegsuchenden Tier, das seine Erfüllung im Kriegsgetümmel findet.
Der Krieg macht edel – Pferde der Griechen und Römer
Bevor das Pferd in Ägypten eingeführt wurde, war es bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. auf dem Balkan angekommen. Kaum später setzte die Domestizierung ein. Während man für die alten Hochkulturen Ägyptens und Mesopotamiens nur indirekt auf eine entwickelte Pferdezucht schließen kann, ist sie für das antike Griechenland der nachklassischen Zeit durch zwei Werke des Polyhistors Xenophon eindeutig festzustellen: Περὶ ἱππικῆς (Über die Reitkunst) und Ἱππαρχικὸς (Der Reiterführer).
Xenophons Einlassungen zum Pferd zeugen davon, wie ausgeprägt der Umgang mit dem Pferd im antiken Hellas gewesen sein muss. So kann er ausführliche Anweisungen geben, etwa darauf, dass beim Kauf eines Fohlens auf die Schienbeine zu achten sei, wenn man die spätere Größe des Pferdes wissen will oder dass der Blick ins Pferdemaul darauf abzielen sollte, Milchzähne auszumachen. Fehlen diese, tauge das Pferd wenig. Xenophon differenziert zwischen den verschiedenen Gangarten des Pferdes und legt Wert darauf, Reiten im Gelände vom Reiten auf dem Reitplatz zu unterscheiden. Dabei kommt eine große Präzision zum Vorschein, die allerdings den bisherigen Befund des Kriegseinsatzes des Pferdes nicht negiert. Auch bei Xenophon dient die Ausbildung dazu, das Pferd für den Kriegseinsatz zu rüsten.
Dennoch ist die Station des antiken Griechenlands auf dem Weg zur bekannten Pferdeikonographie wichtig. Vielleicht mag es daran gelegen haben, dass das von den Athenern als barbarisch angesehene Makedonien zu nahe am Land der Skythen lag, die für ihre exzellenten Reitkünste innerhalb der Antike berühmt und berüchtigt waren, dass Alexander der Große innerhalb der Geschichte der Pferde eine so besondere Rolle spielte. Sein Pferd trug den Namen Bukephalos (Rinderkopf). Dieses Pferd glänzte durch Heldenmut und Loyalität zu seinem Reiter. Alexander dankte es ihm auf kaum vorstellbare Weise, als bei der Schlacht am Hydaspes fiel. Nicht nur errichtete der Makedone ein Grab, auch eine Stadt benannte er nach ihm, das heutige Jhelam in Pakistan. Diese Geste Alexanders fügte der Kriegsmetapher noch eine weitere hinzu. Hier nun wird das Tier, das seinem Herren zum Sieg verhilft nicht mehr nur Instrument, sondern Begleiter und erhält damit die davor kaum nachweisbare positive Attributierung des Edelmuts.
In einer materialistischen Gesellschaft wie der römischen, in der eine politische Karriere nur dann erfolgreich verlaufen konnte, wenn man auch eine Offizierslaufbahn hinter sich gebracht hatte, musste das wichtigste Kriegsgerät der antiken Welt zwangsläufig eine Glorifizierung erfahren, die die alexandrinische Verehrung des Pferdes noch übertreffen musste.
Am eindringlichsten zeigt sich diese in den Worten des älteren Plinius (Naturalis historia 8, LXIV, 156 – LXV, 159):
«Als einem Pferd die Scheuklappen von den Augen genommen wurden und es erkannte, daß er sich mit seiner Mutter begattet hatte, soll es an einen Abgrund gelaufen sein und sich zu Tode gestürzt haben. […] Ihre Gelehrigkeit ist groß […]. Sie fühlen eine Schlacht voraus und betrauern den Verlust ihrer Herren; zuweilen vergießen sie sogar Tränen. […] Sie heben sogar Geschosse vom Boden auf und reichen sie dem Reiter. Im Zirkus an den Wagen gespannt, bekunden sie zweifellos ihr Empfinden für Lob und Ruhm. […].»
Diese Auszüge reichen, um die Bedeutung des Pferdes für den Römer zu verdeutlichen. Das Pferd ist ihm durch die gemeinsame Kampferfahrung so nahe, dass es dem Menschen gleich kommt, in seinem Benehmen ihn sogar teilweise übertrifft. Das Pferd scheint über seinen Edelmut in der römischen Gesellschaft dem Ideal des Menschen näher als so mancher Mensch selbst. Eventuell war auch das der Beweggrund für Kaiser Caligula sein Pferd in seinem Wahn zum Senator zu machen.
Klar erkennen läßt sich die Stellung des Pferdes im Imperium Romanum auch in der Struktur der Gesellschaft. Das Pferd, das auf Lateinisch equus heißt, gab einem ganzen Stand seinen Namen, den Equites. Sicher war der Stand des römischen Ritters nicht der edelste, aber der bedeutendste war er durchaus. Der römische Ritter war, überspitzt gesagt, wichtig für die Wirtschaft und Träger des gesellschaftlichen Konsens, stets bestrebt, aufzusteigen und das nicht nur buchstäblich aufs Pferd, sondern auch innerhalb der Gesellschaft.
Wenn man sich diese gesamte Geschichte der mediterranen-nahöstlichen Pferdehaltung vor Augen führt, dann ist verständlich, warum Papst Gregor III. im Jahre 732 den Verzehr von Pferdefleisch verbieten ließ. Der Papst wußte um diese Tradition des Pferdes. Gregors Verbot richtete sich auch nicht an die Römer. Diese aßen keine Pferde, so weiß uns der römische Culinar Apicus jedenfalls nichts darüber zu berichten. Das Verbot galt in erster Linie anderen, nordischen Barbaren, die – aus römischer Sicht – weder den rechten Glauben noch die aller einfachsten Umgangsformen besaßen.
Im Zuge der Christianisierung Europas war nun die Möglichkeit gegeben, beide Missstände zu beheben. Für das Hauptziel der Missionierung war das Verbot des Pferdefleischverzehrs nicht nötig. Hatte doch bereits der erste Papst gleichen Namens, Gregor der Große, schon immer die Meinung vertreten, dass man denjenigen, die man missionieren wolle, ruhig all das lassen solle, was nicht unbedingt dem kirchlichen Dogma widersprach. Was man nicht abschaffen konnte, müsse man integrieren. Das dieses auch für das Pferdefleisch galt, ist in Island ersichtlich, wo im Jahre 1000 das Allthing den christlichen Glauben nur dann annehmen wollte, wenn die Erlaubnis zum Verzehr des Pferdefleisches gegeben wurde.
Hilfreich und essbar – Pferde der Germanen und Kelten
Warum aber aß man in den nordischen Gebieten Europas überhaupt Pferdefleisch? Der ursprüngliche Anlaß für die Domestizierung des Pferdes lag, wie bereits erwähnt, in erster Linie im Fleischerwerb. Auf diesen konnte man im Raum des Mittelmeers, in dem schon vor dem Pferd große und kleine Tiere zum gleichen Nutzen domestiziert worden waren, verzichten. Im Norden Europas jedoch war das Pferd eines der ersten domestizierten Tiere. Die Schweinezucht begann erst später. Unter diesen Umständen war das Verspeisen von Pferdefleisch nichts ungewöhnliches und blieb auch dann noch erhalten, als der weitere Nutzen des Pferdes erkannt wurde.
Die Germanen waren begeisterte Reiter, denen die Bedeutung des Pferdes für das Kriegsgeschäft absolut bewußt war. Dass dabei zwischen Pferden Unterschiede gemacht wurden und die besten und schnellsten den Anführern zur Verfügung standen, ist am Beispiel des Pferdes Sleipnir des Allvaters Odin ersichtlich. Dieses Pferd, dessen Name selber erst seit dem 10. Jahrhundert belegt ist, galt als das schnellste Tier der Welt, das in der Lage war, ob seiner hohen Geschwindigkeit über Wasser zu laufen. Wenn auch der Name erst später überliefert ist, so ist Odin selber oftmals als Reiter abgebildet. Die bekannteste Darstellung dabei ist sicherlich die aus dem 8. Jahrhundert stammende in Gotland gefundenen Abbildung Odins, die ihn auf einem achtbeinigen Pferd zeigt. In der Literatur führte diese Abbildung zur späteren Behauptung Sleipnir besäße acht Beine. Nicht ausgeschlossen werden kann hier jedoch nicht, dass die Vielzahl der Beine eben eine Visualisierung der Schnelligkeit des Pferdes ist.
Schnelle Pferde waren für die Germanen wichtig, waren es doch diese, die ihnen zum Sieg verhalfen. Daher wurden gute Pferde, die sich verletzt hatten, auch nicht geschlachtet oder geopfert. Zunächst wurde probiert dem Tier zu helfen. Dabei kamen neben der tatsächlich medizinischen Behandlung auch Zauber- und Segenssprüche zum Einsatz. Der wohl bekannteste unter diesen ist der in althochdeutscher Sprache überlieferte Zweite Merseburger Zauberspruch:
«Phol und Wuodan ritten in den Wald.
Da hat sich das Balder-Fohlen den Fuß verrenkt.
Da besprach ihn Sinthgut und Sunna, ihre Schwester,
da besprach ihn Frija und Volla, ihre Schwester,
da besprach ihn Wuodan, der es wohl verstand:
Wie Knochenverrenkung, so Blutverrenkung,
so Gliederverrenkung;
Knochen zu Knochen, Blut zu Blut,
Glied zu Glied, wie geleimt sollen sie sein!»
Auffällig hieran ist die Menge an Göttern, die angerufen wird, um ein Pferd zu heilen, von denen aber nur der Göttervater selber in der Lage ist, dieses zu schaffen. Die Heilung eines Pferdes ist, so kann man den Spruch zugespitzt deuten, Chefsache, nichts, das lediglich von einer untergeordneten Gottheit erledigt werden kann.
Ähnliches gilt für die Kelten. Als Beispiel sei hier kurz auf die Vita des heiligen Patrick von Irland Bezug genommen. Bei dessen Missionsarbeit benötigte er ein Stück Land, um dort den Gottesdienst abzuhalten. Er bekam dieses Land, doch kurz darauf, wurde es ihm vom heidnischen Spender wieder abtrünnig gemacht, damit dieser sein edelstes Pferd dort weiden lassen konnte. Das Pferd starb und Daire, der Spender, wollte nun auch Patrick töten. Daire jedoch starb nun selber augenblicklich. Seine Frau ging zu Patrick und bat um Verzeihung und Hilfe, die Patrick gewährte. Durch von ihm gesegnetes Wasser wurde zuerst das Pferd, und dann der Mann ins Leben zurück gerufen. Pferd und Mann gehen hier eine Verbindung ein, an der ersichtlich wird, welche edle Bedeutung das Pferd für die Kelten hatte
Der Wandel des Edlen – Pferde in Mittelalter und Neuzeit
Vom Orient der Frühgeschichte über die mediterrane Kultur der Antike bis hin zum Kult der nordischen Völker zeigt sich beim Pferd eine ungebrochenen lediglich um Züge erweiterte Symbolik, die es zunächst als Kriegsinstrument und dann als edlen Kriegsgefährten zeigen. So ist es nicht verwunderlich, dass auch in der höfischen Kultur des Mittelalters diese Ikonographie erhalten bleibt. Nicht nur übernahmen in den deutschsprachigen Landen die Adeligen die Bezeichnung Equites und übersetzen sie zu Ritter, auch das Motiv des Edelmuts wird weiterhin verwendet. Wenn auch die mittelalterlichen Ritter ihre Pferde oftmals solange ritten, bis diese zu Grunde gingen, so offenbart sich in der Literatur des Hochmittelalters durchaus noch ein Begriff dieser Symbolik. Bewußt wird dies besonders im Epos Erec Hartmanns von Aue (+ 1210/20), als das Pferd Enides beschrieben wird (V. 7340-7354):
«Es war vollkommen:
weder zu niedrig noch zu hoch,
weder zu kurz noch zu lang,
weder zu stark noch zu schwach.
Seinen schmalen Kopf trug es,
wie es sich gehört, ganz aufrecht,
mit steif aufgestellten, kleinen Ohren,
eins schwarz, das andere weiß;
um das schwarze lief ein weißer Ring
und ein schwarzer um das weiße;
sein Hals war stark und gereckt,
harmonisch gekrümmt
und schmal, wo er in den Kopf überging;
allenthalben war es so beschaffen,
daß es euch eine Freude wäre.»
Wer um die Eigenheit der mittelalterlichen Literatur weiß, mit äußeren Beschreibungen auch das innere Wesen zu bestimmen, der kann bereits auf den hier angespielten edlen Charakter des Pferdes schließen.
Das Changieren zwischen Krieg und Edelmut macht auch im Mittelalter die Symbolik des Pferdes aus. Ergab sich dieser aus jenem, so beginnt mit dem Bedeutungswandel des Edelmuts in der Frühen Neuzeit auch ein Wandel in der Symbolik des Pferdes. Zwar stehen Edelmut und Krieg noch immer dicht beieinander, doch auch das Gegenteil des Krieges kann nun als edel gelten. Diese Auswirkungen auf das Pferd hat Jonathan Swift (1667 – 1745) beschrieben, als er seinen Reisenden Gulliver ins Land der Houyhnhnms schickt, einer Gesellschaft von sprechenden Pferden, deren «hauptsächlichste Tugenden Freundschaft und Wohlwollen» (Swift, 4, 8) sind. Darüber hinaus sind sie die rationalste Gesellschaft, der man habhaft werden könnte.
Dieser Wandel in der Bedeutung des Edelmuts schließlich, der sich auch auf die Darstellung der Pferde bezieht, schließt endlich den Kreis zum Anfang. Und so ist es nicht erst der Verdienst der Amerikaner, das Pferd in friedlicher Pose zum Inbegriff der Freiheit gemacht zu haben, vielmehr findet er sich auch schon in anderer Gestalt im alten Europa. Schlußendlich jedoch brachen weder Amerikaner noch Europäer gänzliche die Tradition des Krieges, die beim Pferd bis ins 20. Jahrhundert mitschwang und wohl erst mit dem 2. Weltkrieg, namentlich dem Gefecht bei Krojanty, endgültig abgeschlossen wurde, als Teile der polnischen Reiter zunächst die deutsche Infanterie zurückdrängten, aber gegen die plötzlich auftauchenden Panzer keinerlei Chance hatten. So steht der militärischen Nutzung der Pferde erst seit wenigen Jahrzehnten die zivile dominant gegenüber.
Literatur
- Benecke, Norbert (1994). Der Mensch und seine Haustiere. Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung. Stuttgart: Theis.
- Hartmann von Aue (2005). Erec. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung von Thomas Cramer, Frankfurt am Main: Fischer.
- Hood, A.B.E. (Hg.) (1978). St. Patrick. His writings and Muirchu’s Life, London: Phillimore.
- Paefgen, Elisabeth K./Geist, Peter (Hgg.) (2011). Echtermeyer. Deutsche Gedichte. Berlin: Cornelsen.
- Plinius Secundus, Gaius (2007). Naturkunde. Lateinisch – deutsch. Buch VIII. Zoologie: Landtiere, hrsg. und übers. von Rodreich König, Düsseldorf: Artemis & Winkler.
- Schenker, Adrian (Hg.) (1997). Biblica Hebraica Stuttgartensia, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft.
- Simek, Rudolf (2006). Lexikon der germanischen Mythologie. Stuttgart: Kröner.
- Swift, Jonathan (1999). Gullivers Reisen. Mit Zeichnungen von Fritz Fischer und einem Nachwort von Bernhard Fabian. München: C.H. Beck.
- Xenophon (2009). Reitkunst, hrsg. und übersetzt von Klaus Widdra. Schondorf: Wu-Wei Verlag.
- Zeuner, Frederick (1967). Geschichte der Haustiere. München: Bayrischer Landwirtschaftsverlag.