Wuppertal, so soll es in einem Bonmot Johannes Raus lauten, sei der Bindestrich zwischen Rheinland und Westfalen. Mag er das auf die eigene Mentalität seiner Heimatstadt bezogen haben, so lag er auch grenzpolitisch richtig. Denn Wuppertal ist und war Grenzgebiet – umstrittenes Grenzgebiet sogar.
Wer heute von rheinisch und westfälisch redet, bezieht sich meistens auf ein etwas über 200 Jahre altes Verwaltungskonstrukt. 1815 hatte Preußen das Gebiet des alten Herzogtums Berg übernommen und das Rheinland dazu bekommen. Das gesamte Gebiet wurde in zwei Provinzen aufgeteilt. Man sprach von der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen. Ein großer Teil der heutigen Stadt Wuppertal wurden der Rheinprovinz zugeschlagen, nur die eigenständigen Gemeinden Nächstebreck und Langerfeld gehörten zur Provinz Westfalen.
Wie kam es dazu? Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts, kurz vor dem 30jährigen Krieg, war das Vereinigte Herzogtum Jülich-Kleve-Berg zerbrochen, als der Herzog ohne männlichen Nachkommen starb. Erbberechtigt waren seine beiden Töchter, die er an den brandenburgischen Hof und an den Hof von Pfalz-Neuburg verheiratet hatte. Nach dem Tod des Vaters stritten sich die Schwiegersöhne bzw. Enkel, wer das Gebiet übernehmen durfte. Man einigte sich zunächst auf eine gemeinsame Verwaltung mit einem nörd-östlichen Verwaltungsbezirk, dem ehemaligen Herzogtum Kleve-Mark, und einem süd-westlichen, dem vormaligen Herzogtum Jülich-Berg. Als Grenze wurden Gewässer festgesetzt. Neben der Wupper waren dies vor allem Bachläufe. Schellenbeck, Beuler Bach und Schwarzbach bildeten so die Grenze zwischen den beiden Verwaltungsgebieten, die nach dem Krieg dann doch in zwei Herzogtümer zerfielen.
Ausgangspunkt für diese Grenzziehung war die Grenze zwischen den Gemeinden Barmen sowie Langerfeld und Nächstebreck. Schon ein Dokument der Garnbleichmeister, auf dem die Bleicher aufgeführt sind, die in Barmen bleichen durften, zeigt recht eindeutig, dass der Dieker und der Wiescher Hof im östlichen Wichlinghausen die äußersten Barmer Bleicherhöfe waren, auch wenn östlich von Barmen gebleicht wurde.
Daneben zeigt die berühmte Beyenburger Amtsrechung aus dem Jahr 1467 auf, wo Barmen endete. Im Nordosten sind es der Hof am Dickten, vier Höfe in Wichlinghausen und die Höfe entlang der Schwarzbach inklusive des späteren Klingholzbergs, der, obwohl östlich der Schwarzbach gelegen, noch zum Einzugsgebiet der Amtsrechung gehörte.
Auf der anderen Seite der Grenze legt das märkische Schatzbuch von 1486 dar, wo der Einfluss der Märker endete. Weiter westlich als nach Nächstebreck und Langerfeld reichte er nicht. Das ist insofern erstaunlich, als der Hofesverband Wichlinghausen, zu dem auch einzelne Höfe in Heckinghausen sowie ein Hof an der Hardt gehörten, seit 1384 zum märkischen Einzugsbereich gehörte. Dieser Umstand bedeutete, dass die Grenze zwischen Mark und Berg in den Ehebetten verlief. So legte der Amtmann von Wetter 1471 gegen eine Hochzeit Einspruch ein, die in Heckinghausen geschlossen wurde. Die Brautleute waren zwar beide bergisch, der Bräutigam aber war in erster Ehe mit einer Märkerin verheiratet gewesen, die ihm das Gut Bockmühl hinterlassen hatte. Aus diesem Grund forderte der Amtmann, dass auch er gehört werde, wenn die beiden heirateten wollten.
Wer noch weiter zurückblickt, wird schnell feststellen, dass die Frage der Grenze immer konfuser wird. Eindeutige Grenzziehungen lassen sich nicht mehr finden. Die Grenze zwischen Rheinland und Westfalen war fließend und sie war auch nach 1815 im Fluss, wie die Geschichte von Langerfeld und Nächstebreck zeigt. Diese beiden Gemeinden wurden 1922 an die Stadt Barmen angegliedert. Ein Teil der Bevölkerung gründete daraufhin unmittelbar den Westfalenbund, der die Loslösung von der rheinischen Stadt forderte. Erfolg hatte er damit nicht. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Kirchengrenzen der evangelischen Kirche. Erst nordöstlich von Nächstebreck und Langerfeld beginnt heute die Landeskirche von Westfalen, davor aber ist der Einzugsbereich der Rheinischen Landeskirche.