Es ist diese Hilflosigkeit, die einen fertig macht. Man heiratet und will nur mit seiner Frau zusammen sein. Ein einfaches Prinzip. Nur, was ist, wenn die Ehefrau gar keine Deutsche, ja nicht mal Europäerin ist? Dann wird es kompliziert, denn auf einmal wird der Wunsch nach Zweisamkeit, zumindest gefühlt, zum Verbrechen.
Warum zum Verbrechen? Damit das mit der Zweisamkeit klappt, braucht die Ehegattin ein Visum. Was für einen Deutschen einzig mit einer Gebühr verbunden ist, wenn überhaupt, ist für eine Ehefrau, die nicht aus der EU stammt ein Hürdenlauf sondergleichen.
Was man will, ist ein Stempel, und ja: Man ist bereit für diesen Stempel im Pass Geld zu bezahlen. Was man bekommt ist deutsche Bürokratie in Reinform, einzig orientiert an der eigenen Verwaltung, nicht aber am Antragsteller.
Zunächst macht man einen Termin in der Botschaft, denn diese hat zu wenig Personal, um immer zu öffnen. Bevor man diesen Termin macht informiert man sich pflichtbewusst über alle Formulare, die man einreichen muss. Man erfährt, dass die Frau schon vor dem Visum Deutsch auf dem Niveau A1 können muss und ist verwundert über die hohe Zahl an eigenen Schülern, die dieses Niveau nach 600 UE im Deutschkurs und zwei Jahren in Deutschland kaum erreichen.
Diese Verwunderung führt zur Recherche und man findet Ausnahmen, von denen fast alle für in Deutschland lebende Ausländer gelten, aber nicht für in Deutschland lebende Deutsche. Das verwundert und man denkt an dieses Grundrecht, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich seien – oder eben nicht.
Nun gut, man bezahlt den Deutschkurs und macht den Termin in der Botschaft etwas später, so dass dann alles schnell geht – und vergisst dabei den deutschen Amtsschimmel. Denn der im Netz gemachte Termin ist natürlich nur für die Abgabe der Dokumente, nicht für den Deutschtest. Dieser, das erfährt die Frau dann, ist der letzte Test im Verfahren. Knapp zwei Wochen später ist dann ein zweiter Termin gesetzt, an dem in einem Interview überprüft wird, ob die Ehe denn überhaupt eine Liebesheirat ist oder einfach zum Schein geschlossen wird. Und auf einmal kommt einem der Verdacht, dass etwas nicht stimmt mit diesem System. In der Innenstadt läuft man an einem Plakat vorbei. Es ist Werbung für den deutschen Rechtsstaat. Unschuldig sei man, bis zum Beweis des Gegenteils. Man liest das und fragt sich dann, was man falsch gemacht hat, dass die deutsche Botschaft automatisch davon ausgeht, man sei Teil eines großangelegten Eheschwindels. Aber man hat gar nichts falsch gemacht, denn, wie das Innenministerium auf Anfrage schreibt, gibt es eben eine höchstrichterliche Rechtsprechung , die klar macht, dass die Sicherheit des Staats mehr wiegt als das persönliche Recht auf Schutz von Ehe und Familie. Und wer eine Ausländerin heiratet, hat dann halt damit zu leben, dass der deutsche Staat automatisch davon ausgeht, dass diese eben eine Gefahr für die Sicherheit des Landes ist. Gleichzeitig sieht man im Fernsehen die Bundestagesdebatte, in der der Abgeordnete der eigenen Stadt über die Pflicht spricht, die Flüchtlinge nicht im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Es kommt einem der zynische Spruch eines guten Freundes in den Sinn „Wäre sie über das Meer gekommen, hätte sie eine Wohnung, eine Krankenversicherung und ein Einkommen.“. Ja, denkt man. Für diejenigen, die ihr Leben riskieren und auf illegalem Wege ins Land kommen, da muss man Lösungen finden, aber auf die Idee, die Legalen Möglichkeiten einfacher zu machen, das ist natürlich ein Unding. Das geht gar nicht. Dann kommen die ja alle.
Die Frau besteht derweil das Eheschwindel-Test-Interview mit Bravour. Immerhin weiß sie ja, wie viele Kilometer zwischen Haustür und Tür des Arbeitsortes liegen, Themen über die man sich halt als Ehepaar in Deutschland jeden Tag unterhält. Die deutsche Botschaft teilt mit, dass es nun ein zwei Monate dauern kann, bis der Deutschtest beginnt. Warum man so etwas nicht auf der Homepage schreibt, muss an der Geheimhaltungspflicht liegen. Also lernt die Frau weiter Deutsch. Ihre Mitschüler haben alle Ehepartner in Deutschland, alle lernen Deutsch in der selben Schule, es ist eine von zweien. Das Goethe-Institut vor Ort bietet keine Kurse an, antwortet auch nicht auf E-Mails. Der Lehrer ist mit dem Buch fertig und beginnt einfach wieder von vorne. Die Lehrmethode ist klassisch. Texte lesen und dann übersetzt der Lehrer die Texte, die Schüler schreiben mit. Meine Frau ist super im passiven Verstehen von Texten, Sprechen und Schreiben, selbst Zuhören fällt ihr recht schwer, aber Lesen läuft. Man hat Ahnung von den Niveaustufen, man weiß, wie ein A1-Test aussieht, weiß davon, dass dort alle vier Kompetenzen benötigt werden. Man bekommt Panik, ob die Frau den Test besteht. Dann erzählt sie von einer Mitschülerin, die den Test schon einmal erfolglos gemacht hat. Die Erzählungen zeigen, dass es kein normaler A1-Test ist, sondern irgendetwas, bei dem das passive Lesen vollkommen ausreichen wird. Man ist erfreut, dass die Frau besteht, und versteht auch, warum es für viele Menschen in den Integrationskursen so schwer ist, schnell die Niveaustufe A1 hinter sich zu bringen. Der Referenzrahmen zum Sprachenlernen ist in der deutschen Botschaft noch nicht angekommen.
In der Zwischenzeit bekommt die Frau die Nachricht, dass die Botschaft sie zwei Wochen vor dem Deutschtest anrufen wird und das es danach etwa drei Wochen dauert bis das Visum kommt. Fünf Wochen warten. Man heiratete im April, machte den Termin im August, dachte drei Monate Deutsch lernen reichten aus, hoffte auf September, hoffte auf Oktober und hofft nun auf November. Anrufen soll man die Botschaft nicht. Die Frau will es auch nicht, man weiß ja nie, was dann passiert. Kommt sie Weihnachten? Oder erst ein Jahr nach der Hochzeit? Fortsetzung folgt…