„Für die Freiheit“ Schottland und England im Mittelalter

„Kämpft, und ihr werdet vielleicht sterben. Lauft und ihr werdet leben, zumindest für eine Weile und wenn ihr dann in vielen Jahren sterbend in eurem Bett liegt, wärt ihr dann nicht bereit, jede Stunde einzutauschen von heute bis auf jeden Tag, um einmal, nur ein einziges Mal, nur wieder hier stehen zu dürfen und unseren Feinden zuzurufen: „Ja, sie mögen uns das Leben nehmen, aber niemals nehmen Sie uns unsere Freiheit!“

Diese Worte sind historisch nicht belegt, aber mittlerweile sind sie zumindest Teil der Filmgeschichte geworden. Gesprochen hat sie William Wallace alias Braveheart in dem gleichnamigen Film, gespielt von Mel Gibson. Es ist kein Zufall, dass Mail Gibson, der sich sicherlich wie kein anderer Schauspieler und Regisseur mit dem freiheitlichen Gedanken auseinandergesetzt hat, sich diesen schottischen Freiheitskämpfer des Mittelalters ausgesucht hat, um ein filmisches Epos über die Liebe zur Freiheit zu machen und es ist auch kein Zufall, dass bis heute die Drehorte in Schottland für touristische Zwecke besucht werden können. Die Schotten und die Freiheit, das ist eine Geschichte ganz für sich alleine!

Und diese Geschichte dauert bis heute an, ja sie wird die Zukunft des Vereinigten Königreichs bestimmen und nach dem Tod von Queen Elisabeth II. im Jahr 2022 wahrscheinlich noch mehr als ohnehin schon, denn nach dem ersten Referendum, das in Schottland abgehalten wurde, war klar, dass man die Queen auf jeden Fall als Staatsoberhaupt behalten wollte. So hatte es zumindest Alex Salmond gesagt, bevor 2014 dieses erste Unabhängigkeitsreferendum Schottlands scheiterte.

Diese Aussage mag auf den ersten Blick verwundern, ist aber nachvollziehbar, wenn man weiß, dass das Haus Windsor auf einen Familienstammbaum zurückblicken kann, der mit König Jakob I. auch einen schottischen König hat. Tatsächlich war es Königin Elisabeth I., die kinderlos starb und daher den Sohn ihrer Konkurrentin Maria Stuart auf den englischen Thron hievte. So wurde Jakob VI. von Schottland zum ersten König Englands mit diesem Namen. Genealogisch war dies deswegen möglich, weil Jakob als Sohn von Maria Stuart gleichzeitig auch ein Urenkel von Heinrich VII. von England war, dem Großvater von Elisabeth. Mit dieser Personalunion, die vor etwa 400 Jahren geschmiedet wurde, endete eine nahezu das gesamte Mittelalter hindurch andauernde Auseinandersetzung über die Unabhängigkeit Schottlands gegenüber England, man würde davon ausgehen wollen, dass mit der Thronbesteigung eines schottischen Königs auf dem englischen Thron die Sache zu Gunsten Schottlands ausgegangen wäre. Allerdings ist es so, dass das Haus Stuart nur auf ganze vier Könige zurückblicken kann, die den englischen und schottischen Thron in Besitz hatten. Hinzukommt, dass in dieser Zeit eine etwas länger als zehn Jahre dauernde Phase des republikanischen Englands zu verzeichnen ist, die von 1649 bis 1660 andauerte. Schon allein daran merkt man, dass die Auseinandersetzung zwischen Schottland und England wesentlich komplizierter ist, als man gemeinhin annimmt. Und daher lohnt es sich die Geschichte dieses vielleicht bis heute andauernden Kampfes um die schottische Freiheit genauer anzusehen.

Wenn man so will, beginnt dieser Kampf der Schotten bereits vor fast 2000 Jahren. Im ersten Jahrhundert v. Chr. ist es Gaius Julius Caesar, der als erster Römer Großbritannien betritt, dort wenig Erfolg hat und dennoch durch seine Berichte den Grundstein legt für weitere römische Eroberung auf der britischen Insel. Nur wenige Jahrzehnte später allerdings schon im ersten Jahrhundert n. Chr. wird Großbritannien durch das römische Reich erobert werden.

Wobei dabei zu sagen, ist das nicht ganz Britannien erobert wurde denn nicht nur ein kleines, störrisches Dorf, sondern der gesamte Norden der Insel blieb für die Briten trotz aller Versuche immer unerreicht. Wer heute die Reise auf sich nimmt, kann an der Grenze zwischen England und Schottland noch die Überreste des einstigen Hadrianwalls erkennen, der beide Landesteile voneinander trennte und sicherstellen sollte, dass die widerspenstigen Einwohner Schottlands, die damals noch Picten und Scoten hießen, nicht in das Territorium des mächtigen römischen Reiches vordringen sollten.

Zu Recht werden sie sich nun fragen ja, Moment in dem Vortrag soll es doch eigentlich darum gehen, dass hier der Kampf der Schotten gegen die Engländer betrachtet wird. Was hat das Ganze denn nun mit Rom zu tun? Nun, die Sache ist relativ simpel. Die Engländer haben sich im Prinzip als Nachfahren des römischen Reiches gesehen, nachdem dieses zusammengebrochen war, und das nicht erst seit sie ihr eigenes Empire aufbauten, sondern, das zeigen die kulturhistorischen Spuren, bereits im Hochmittelalter. Wie anders lässt es sich zum Beispiel erklären, dass unter Heinrich II. der walisische Mönch Geoffrey von Monmouth ein historisches Werk verfasste, das nahezu ausschließlich seiner Fantasie entsprungen war und in der er auch den eventuell tatsächlich existierenden Heerführer Artus zu einem König aufbaute, der nicht nur die Angelsachsen aus Britannien vertrieb, sondern auch die römische Macht in Kontinentaleuropa herausforderte und natürlich in ihre Schranken wies, bis ein Intrigant zu Hause in Britannien Artus zurückrief und so den Erfolgskurs von König Artus beendete.

Geschichte, Geschichtsschreibung und die Interpretation dessen, was andere als historische Wahrheit sehen, ist oftmals kompliziert und sie werden sich selber, wenn sie sich ein bisschen mit politischer Geschichte auskennen, darüber wundern, wieso es ausgerechnet Heinrich II. der ja der Nachfahre von normannischen Königen war, einen britischen Artus brauchte, der die Angelsachsen vertrieb, die zum Großteil in diesem England wohnten, für das Geoffrey von Monmouth schrieb. Aber so ist es nun mal, wenn man einen nationalen Mythos aufbauen möchte. Und das war hier die Absicht von Heinrich II. auch wenn es eigentlich noch gar keine Nationen im Hochmittelalter gab. Dann greift man in die Trickkiste der Geschichtsschreibung und wirft alles durcheinander, um ein Wir-Gefühl zu entwickeln Und so ist es möglich, dass ein britannischer König das mächtige Römische Reich erobert und damit den Anspruch der englischen Könige klarmacht, eigentlich die Nachfolge des römischen Reiches angetreten zu haben.

Dass sich laut Legende der Name Britannien außerdem von einem gewissen Brutus ableitet, der von Troja aus aufgebrochen sein soll, zeigt erneut eine Parallele zum römischen Reich. Es handelt sich dabei nicht zufällig um die Aeneis des römischen Autors Vergil, dessen Protagonist Aeneas bekanntlich auch aus Troja nach Rom aufgebrochen sein soll und so zum Gründungsvater des Römischen Reiches wurde. Das macht relativ klar, welcher Anspruch bei den Engländern herrschte. Wer aber mit dem Anspruch auftritt, Nachfolger des römischen Reichs zu sein, für den ist es natürlich auch klar, dass er vollenden möchte, was die Römer nicht geschafft haben und das war die Eroberung Schottlands auf der britischen Insel.

Aber kehren wir zunächst zu den Schotten zurück. Wie so oft im Frühmittelalter ist auch der Ursprung des schottischen Königreichs nicht klar zu erschließen. Was wir wissen, ist, dass irgendwann zwischen 850 und 1050 also innerhalb eines Zeitraums von 200 Jahren das Königreich Alba gegründet und konsolidiert wurde. Dieses Königreich war das Königreich von Picten, die es aber Irgendwie schafften, die Scoten zu integrieren, obwohl beide Völker weiterhin nicht wirklich miteinander verbunden waren. Der erste König von Alba, hieß Kenneth Mac Alpine und hatte es relativ schwer, als wirklicher König anerkannt zu werden, weil nicht klar war, ob seine Regierung tatsächlich legitim war. Der Grund dafür ist bis heute nicht ganz zu erschließen. Fakt ist jedoch, dass Kenneth Mac Alpine offiziell als der erste König Schottlands gilt, auch wenn er gar nicht der erste König war, der sowohl über die Scoten als auch über die Picten herrschte. Mit ihm begann eine fast 200 Jahre währende Dynastie der Familie McAlpine als Könige Schottlands. Diese Dynastie hatte allerdings ein großes Problem, dass sie fundamental von dem sich etablierenden Königreich England unterschied. Am besten hat dieses der schottische Autor John Mayor zu Beginn des 16. Jahrhunderts ausgedrückt, als er seine Landsleute beschrieb:

„Sie streiten dauernd und Krieg ist eher der Normalzustand als der Frieden. Die schottischen Könige haben nur oder Schwierigkeiten Übergriffe dieser Männer standhalten können.“

Obwohl die Könige allesamt aus der gleichen Familie kamen, so handelt es sich doch in den seltensten Fällen tatsächlich um eine Übergabe der Regentschaft vom sterbenden Vater an den ihm nachfolgenden Sohn, sondern oftmals um Cousins, Enkel oder manchmal Brüder, die dem sterbenden König folgten. Diese Tode waren dabei fast nie natürlicher Art, denn ein weiterer Aspekt, war hier maßgeblich, nämlich, dass es im keltischen Recht Schottlands heißt, dass das Volk bestimmt, wer König sein soll. So lässt sich leicht vorstellen, dass je nachdem, wie das Volk sich genau aufteilte – gerade wenn man daran denkt, dass zu diesem Zeitpunkt noch Picten und Scoten existierten – die Nachfolge eines Königs oftmals nicht klar geregelt war, wenn sich die eine Seite des Volkes für den Bruder eines Königs und die andere Seite für den Cousin eines Königs entschied.

Nach dem Tod von Kenneth bis zum Ende der Dynastie der McAlpine im Jahr 1034 lag so die durchschnittliche Regierungszeit eines schottischen Königs bei zwölf Jahren. Mit der Ausnahme von Konstantin II., Kenneth II., und Malcolm II. regierten die meisten Könige nicht länger als fünf Jahre. Von den drei genannten Königen kam Konstantin auf 43 Jahre, Kenneth II. auf 24 Jahre und Malcolm auf 29 Jahre. Die letzten beiden langregierenden Herrscher waren es auch, die auch endlich eine Beziehung zu dem südlichen Nachbarn aufnehmen konnten, weil in ihrer Zeit die innenpolitischen Angelegenheiten weitgehend geklärt waren.

Schon der Vorgänger Kenneths II. war es, der erste Beziehungen zu dem neu gegründeten Königreich England knüpfte, das selber erst aus den vielen kleinen angelsächsischen Königreichen Wessex, Essex oder Mercia gegründet werden musste. König Malcolm konnte sich durch eine geschickte Bündnispolitik einen Teil dieses Englands Untertan machen, so dass er den südwestlichen Teil Schottlands seinem Königreich einverleiben konnte. Sein Nachfolger Kenneth II. war ein kriegerischer Herrscher, der in der Zeit seiner Regierung unzählige Kriege führte, etwa gegen den König der Orkney-Inseln oder auch gegen England, in das sehr regelmäßig einfiel. Dennoch schaffte er nicht, dass das Land größer wurde, sondern konsolidierte lediglich die Grenzen seines Herrschaftsbereichs. Diese Erfolglosigkeit mit der gleichzeitigen Brutalität des Königs führte dazu, dass der soeben erwähnte keltische Rechtsspruch angewandt wurde, dass das Volk den König bestimmt und so waren es die Untertanen von Kenneth II., die diesen im Jahre 995 eine tödliche Falle stellten, so dass der König starb und sein Nachfolger Malcom II. an die Regierung kam.  Nach dessen langer Regierungszeit betritt im Jahre 1034 König Duncan die Bühne, dem allerdings keine lange Regentschaft vergönnt war.

In dieser Lage befand sich Schottland, als zum Beginn des elften Jahrhunderts der letzte König aus der Linie der MacAlpine an die Macht kommen sollte. Sein Name sollte etwa 500 Jahre später Teil der Literaturgeschichte werden, denn niemand anders als William Shakespeare widmete ihm eines seiner wohl berühmtesten Theaterstücke: Macbeth

Macbeth gilt als die Ausgeburt des von der Macht verführten Königs, der die Krone an sich reißt, nachdem sein Vorgänger Duncan erschlagen wurde. William Shakespeare sorgt dafür, dass ein gewisser Finlay von Angus Duncan erschlägt. Das ist so nicht richtig. Auch wenn die Familie Angus diejenige Familie war, die den Großvater Duncans, nämlich eben Kenneth II. hat er schlagen lassen. Shakespeare nahm sich hier die Freiheit, verschiedene historische Begebenheiten zusammenzuführen. In Wirklichkeit aber wurde der König durch eine Gruppe von Verschwörern ermordet, deren Anführer allerdings nicht Macbeth war, sondern ein Mann namens Banquo. Das ist insofern interessant, als dass diese Banquo, der Ahnherr der Familie Stuart werden sollte.

Der Tod von König Duncan, war wahrscheinlich etwas, was Schottland gutgetan hat, denn Duncan galt als schwacher Herrscher, was sicherlich dazu geführt hat, dass man sich seiner entledigen wollte. Macbeth wurde sein Nachfolger und regierte 17 Jahre lang relativ erfolgreich über Schottland und anders als seine Vorgänger wurde Macbeth nicht durch eine Verschwörungsgruppe oder einen konkurrierenden Königskandidaten erschlagen, sondern er verlor 1057 in einer offenen Feldschlacht, die er allerdings gegen den Sohn von Duncan verlor. Als Malcom III. beerbte er dann auch Macbeth und fiel vor allen Dingen dadurch auf, dass er in zwei Ehen so viele Kinder zeugte, aus denen nicht weniger als fünf schottische Könige hervorgingen, die Malcolm III. als ihren Vater bezeichnen können.

Ab dort beginnt sich die Geschichte zwischen England und Schottland zu vertiefen, denn während die schottischen Könige damit beschäftigt waren, sich gegenseitig zu bekämpfen oder zu erschlagen, passierte im Süden etwas mit dem niemand gerechnet hatte. Im Jahr 1066 eroberten die aus dem nördlichen Frankreich, der Normandie, kommenden Erben der Wikinger das angelsächsische England und sorgten dafür, dass unzählige französische Begriffe, die englische Sprache dominieren sollten. Mit Wilhelm dem Eroberer und seinen Nachfolgern ergaben sich neue diplomatische, soll heißen eheliche Verbindungen zwischen den beiden Königreichen im Süden und im Norden Großbritanniens, die sich allerdings in der Struktur wenig unterschieden, wie noch einmal John Mayor festhielt:

„In beiden britischen Königreichen beruht die kriegerische Stärke der Nation auf dem gemeinen Mann und der Landbevölkerung. Die Bauern pachten ihr Land von den Grundherren, bestellen es aber durch ihre Bediensteten und nicht mit eigener Hand. Sie verfügen über ein Pferd und Waffen und sind bereit, sich für jede gerechte oder ungerechte Sache ihres mächtigen Herren einzusetzen, wenn sie ihn nur schätzen und wenn es sein muss, kämpfen sie bis in den Tod.“

Dieser Art waren (oder sind) beide Völker beschaffen, was zeigt, warum sich beide Länder wohl bis heute in inniger Feindschaft zugewandt sind. Ich muss natürlich an dieser Stelle etwas einschränken, denn diese Quelle stammt aus späterer Zeit. John Mayor beschreibt hier die Lage im 16. Jahrhundert. Bis dahin war es jedoch ein wenig hin und vor allem das von ihm beschriebene Feudalsystem war im 11. Jahrhundert in Schottland noch nicht so entwickelt, wie in England. Das kam erst später. Doch die gefühlte Zugehörigkeit, die er beschriebt, waren auch schon damals gegeben.

Schottlands Lage war allerdings weniger rosig als diejenige Englands. Bedingt durch seine Position am Rande Europas und seine Vegetation waren die Verhältnisse nicht sonderlich gut für eine Versorgung geeignet. Es war also wichtig, dass Schottland sich mit den anderen Mächten in Europa in Verbindung setzte und begann, sich durch Handel und Diplomatie zu vernetzen, wie sie es mit der nordfranzösischen Grafschaft Boulogne taten. Dorthin verheiratete Malcolm III. seine Tochter Marie. Solche Beziehungen waren wichtig, um die immer drohende Abhängigkeit von England abzuwenden.

Dazu kam es 1072, als Wilhelm der Eroberer sich auch daranmachte, Schottland zu erobern. Grund dafür war aber nicht bloß eine Expansionspolitik Wilhelms, sondern auch die andauernden Überfälle der Schotten auf Northumberland. Diese waren nötig, weil Schottland kein reiches Land war. So schrieb der belgische Reisende 1385 noch über die Schotten:

„Ihr Land ist sehr arm. Wenn die Engländer einfallen, wie es schon oft geschehen ist, so sorgen diese dafür, dass ihnen ihre Versorgung dicht auf folgt, denn in diesem Land gibt es nichts so ohne weiteres. Es gibt weder Eisen, um die Pferde zu beschlagen, noch Leder, um Pferdegeschirr oder Sattel herzustellen. Alle diese Dinge kommen fertig aus Flandern über sie und wenn sie ausbleiben, gibt es im Lande nichts.“

Wilhelm zog über See nach Schottland, doch kam es zu keiner wirklichen kriegerischen Auseinandersetzung, weil Malcolm III. auf ein altbewährtes Mittel zurück, wenn es darum ging, feindliche Übernahmen zu umgehen: Er ergab sich, übergab einen seiner Söhne, David, als Geiseln an den normannischen Hof. Das hielt Malcom jedoch nicht davon ab, weiterhin Überfälle nach England zu leiten und sich jedes Mal, wenn sich die Engländer revanchierten wieder zu unterwerfen.

Wichtiger aber, um die englische Bedrohung abzuwenden war sicherlich die Ehe zwischen Malcolms Tochter Mathilde, die zur Königin Englands wurde, als ihr Mann Heinrich zum ersten König Englands mit diesem Namen wurde. Heinrich war in Frankreich aufgezogen worden und verblieb auch dort die meiste Zeit seiner Regentschaft.

Sicherlich hatte Malcolm daraufgesetzt, dass sich Ehe als lukrativ und zielführend für Schottland erweisen würde, hätte aber nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet der als Friedenspfand an den normannischen Hof geschickte David als der würdigste Erbe seines Vaters zeigen würde.

David wurde am Hofe König Heinrich I. von England erzogen. Obwohl er ursprünglich Wilhelm dem Eroberer mitgegeben worden war, kam es im Zuge des Todes von Wilhelm zu einigen Verwerfungen innerhalb der englischen Königsdynastie, an deren Ende Heinrich I. als König auf dem Thron saß. Dieser Hof Heinrichs saß nicht in London, sondern in der Normandie. Dort erlernte David als Pfand seines Vaters, alle Annehmlichkeiten eines mittelalterlichen Hofstaats im beginnenden Hochmittelalter kennen. Dieses Wissen nutzte David, als er endlich 1124 zum König von Schottland wurde. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits wesentlich älter als beide seiner Brüder, als diese König wurden, und hatte so bereits die Möglichkeit gehabt, einige Lebenserfahrung zu sammeln. Als erfahrener Mann auf dem Thron wusste er ziemlich genau, was er wollte, und das war eine Konsolidierung und vor allen Dingen eine Erweiterung des Königreichs Schottland.

David wusste jedoch, dass eine Konsolidierung des Reiches nicht nur dadurch zu Stande kommt, dass man alleine seine äußeren Feinde unterwirft, sondern auch, dass man im Inneren eine vernünftige und effiziente Verwaltung aufbauen kann. Dazu gehörte unter anderem auch ein eigenes Wirtschaftssystem. So war es David, der als erster König Schottlands eigenen Münzen prägen ließ und auch eine Bildungsreform durchführte, was im zwölften Jahrhundert bedeutete, neue Klöster zu gründen.

Daneben ließ er im gesamten Land seine Herrschaft dadurch zeigen, dass er neue königliche Burgen bauen ließ. Nach außen griff David die Orkney-Inseln an und schaffte es endgültig diese seinem Königreich einzuverleiben. Auf diese Weise sicherte er auch einen englischen Angriff ab, denn mit König David gab es einen Strategen auf dem Thron.

Innerhalb der 30 Jahre, in den König David regierte, hatte er sogar die Möglichkeit, London einzunehmen, die er allerdings nicht nutzte, denn er war gar nicht zur Eroberung nach England geeilt, sondern um seiner Nichte beizustehen. Diese war die Tochter Heinrichs des Ersten von England und dessen Frau Mathilde, der man sinnigerweise auch den Namen Mathilde gegeben hatte. Diese Mathilde war verheiratet mit dem römischen Kaiser, so dass bei einem Ableben Heinrichs I. es durchaus möglich gewesen wäre, England dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation anzugliedern. Diese Idee gefiel einem Cousin der Kaiserin gar nicht. Dieser Cousin mit namens Stephan machte sich auf dem Weg, den englischen Thron zu erobern, was ihm auch gelang. In dieser Auseinandersetzung zwischen Stephan und Mathilde geriet auch König David, der von Schottland aus kommend mit seiner Armee nach England einmarschierte. Aber Stefan war darüber informiert und schickte seinerseits eine Armee nach Schottland, die zum großen Teil aus Bauern aus dem nördlichen England bestand, die durch den Bischof von York zusammengestellt worden war. Das führte letzten Endes dazu, dass David und Stephan Frieden schließen mussten. Auch dieser Frieden war der schottischen Tradition folgend nicht von großer Dauer, sorgte aber tatsächlich dafür, dass für einige Zeit Ruhe zwischen beiden Ländern herrschte. Spätestens als sich David allerdings widerrechtlich in London und Winchester aufhielt und dort fast gefangen genommen worden wäre, zog er sich komplett nach Schottland zurück und konzentrierte sich auf die Konsolidierung des Reiches im Inneren.

Zu dieser Konsolidierung gehörte auch etwas, dass David gelernt hatte, als er in seiner Jugend am Hof von Heinrich I. ausgebildet wurde. Dort hatte er das Feudalsystem kennengelernt, dass er auch in Schottland einführte. Bis zu seiner Regentschaft war diese Art des Systems, in dem Bauern für Adelige arbeiten, in Schottland nicht bekannt gewesen. Mit dem Feudalsystem führte er hauptsächlich in den Lowlands von Schottland, eine Normanisierung durch, so dass sich der Hof von Edinburgh mehr an den Hof von London anpasste.

Damit einher ging eine Phase der Gründung von Institutionen. Auf Davids Bemühungen gehen unter anderem die Gründung der Universität St. Andrews zurück, aber auch die Gründung der Klöster Melrose, Tiron, Holyrood und Kelso, in das er französische Mönche einlud. Damit stellte er die so lange bestehende Verbindung zwischen Schottland und Frankreich her.

König David wurde 75 Jahre alt und überlebte seinen Sohn, so dass nach seinem Tod der schottische Thron an seine Enkel ging. Einer von ihnen war Wilhelm I., der bis in das Jahr 1214 hinein herrschte. In den Anfangsjahren seine Regierung stellte sich Wilhelm I. mit seinem englischen Pendant gut, bei dem es sich um den bereits erwähnten Heinrich II.  handelte. Dieser Heinrich II. war ein jähzorniger und launischer König, der vor allen dafür berühmt war, aus einer Laune heraus den damaligen Bischof Thomas von Canterbury umbringen zu lassen. Mit einem solchen König war nicht lange ein gutes Spiel zu treiben. So kam es, dass Wilhelm 1168 den ersten Bündnisvertrag zwischen Schottland und Frankreich schloss und mit den Söhnen Heinrichs von England gegen deren Vater zog. Freilich hatte er das Problem, dass er bei einer Schlacht gefangen wurde, was für ihn bedeutete, dass er einen für ihn schlechten Vertrag aufsetzen musste, der komplett Schottland und auch dessen Kirche unter die Herrschaft Englands stellte. Da er allerdings sehr lange regierte, nutzte er eine finanzielle Chance, diesen Vertrag rückgängig zu machen. Im Vertrag von Canterbury 1189 konnte er Schottland und dessen Kirche für nur 10.000 Mark Silber freikaufen. Geholfen bei den Verhandlungen hatte die Tatsache, dass die Töchter Wilhelms allesamt mit englischen Adeligen verheiratet waren und er selber eine Nichte Heinrichs II. geehelicht hatte.

In der Folgezeit kam es immer wieder zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen Schottland und England, die aber durch die Hilfe eines weiteren Enkels von König David geschlichtet, werden konnten. Dabei handelte es sich um David, Earl von Hundington, der sowohl in Schottland als auch England Ländereien besaß und peinlich genau darauf achtete, dass es zu keinerlei kriegerischen Auseinandersetzungen kam, die seinem Wirtschaftsimperium hätten schaden können. Für den weiteren Verlauf der Geschichte Schottlands sollte dieser David mindestens so wichtig sein, wie sein Großvater, David I.

Aber werfen wir zuerst noch mal ein Blick auf die Reformen, die tatsächlich in diesem zwölften Jahrhundert in Schottland durchgeführt wurden. Die Normanisierung Schottlands spürte man vor allem in den Lowlands, nämlich an der Grenze zu England. Allerdings zogen nicht nur Normannen über die Grenze, sondern auch zahlreiche Angelsachsen. Insgesamt war die Region um die Grenze herum für migrantischer Bewegung zwischen den einzelnen Ländern wesentlich durchlässiger geworden. Das Ganze führte dazu, dass man in den Lowlands eine andere Gesellschaftsstruktur fand als in den Highlands. Während die Highlander sich noch ihre ursprüngliche Verhaltensform erhalten konnten und wohl gerade auch kultivierten, wie es der belgische Autor Jean de Friossart im 14. Jahrhundert beschreibt:

„In Schottland wird man niemals einen Mann von Wert finden. Sie sind wie die Wilden, die mit niemandem verbunden sein wollen, zu neidisch auf das Glück anderer blicken und Angst haben, etwas zu verlieren.“

Das Schimpfen auf die anderen, die mehr haben, wurde zu einer ganz eigenen Kultur, die innerhalb dessen, was man gemeinhin als Clan ausdrückt, beibehalten und zu einem ganz eigenen Teil der hochländischen Mentalität. Die von den Augenzeugen das gesamte Mittelalter hindurch beschriebene Wildheit der Hochländer zeigt sich aber nicht nur in einem kultivierten Neid auf die anderen, deren Besitz man zwar durchaus schätzt, sie selber aber lehnt, sondern gerade auch in den körperlichen Eigenschaften, vor allem in der Kraft zum Kampf. Der Schotte John Mayor fasst es wie folgt zusammen:

„Die Bauern haben noch einen anderen Fehler: Dass sie ihren Söhnen kein Handwerk beibringen. Schumacher, Schneider und alle diese Leute verachten sie und halten sie des Kriegshandwerks für unwürdig. Deshalb erziehen sie ihre Kinder dazu, bei den hohen Adeligen in Dienst zu gehen oder wie ihre Väter auf dem Lande zu leben. Auch Stadtbewohner halten Sie nicht für den Krieg geeignet. Und es ist wahr, dass sie selbst darin besser sind und sich als viel kühnere Soldaten erweisen.“

In den Lowlands fanden sich nur noch Fragmente dieser Idee, so dass es möglich war, dass Jahrhunderte später bereits davon gesprochen wurde, dass man innerhalb Schottlands von zwei verschiedenen Bevölkerungsgruppen sprechen konnte. Der bereits zitierte John Mayor kann es erneut recht pointiert beschreiben:

„Weiterhin finden wir genauso wie zwei verschiedene Sprachen zwei verschiedene Lebensweisen, denn manche sind geboren in den Wäldern und Bergen des Nordens und diese nennen wir Leute des Hochlands, und die anderen sind die Leute des Unterlandes. Ausländer nenne die Ersteren die wilden Schotten, die Letzteren die sesshaften Schotten. Erstere benutzen die irische Sprache, letztere die englische. Die Hälfte Schottlands spricht irisch und zusammen mit den Inselbewohnern zählen wir sie zu den wilden Schotten, nach Kleidung und den Äußerlichkeiten ihres Lebens und nach ihrer Geisteshaltung. Wegen ihrer Herkunft aus nördlichen Gegenden und aus Bergen und Wäldern ist ihre Natur kämpferischer. Bei den sesshaften Schotten findet man die Regierung und Leitung des Reiches, denn sie verstehen staatliches Wesen besser oder zumindest weniger schlecht. Ein Teil der wilden Schotten ist reich an Rindern, Schafen und Pferden; dieser Reichtum und der Gedanke an dessen möglichen Verlust macht sie gehorsam gegenüber Recht und König, ein anderer Teil liebt die Jagd und Muße. Ihre Häuptlinge folgen schlechten Männern, wenn es nur nicht mit Arbeit verbunden ist. Da sie sich keine Mühe geben, ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen, leben sie von anderen und folgen, lieber nichtsnutzigen und tollkühnen Herren bei den bösen Taten als einem ehrenwerten Gewerbe nachzugehen.“

Doch für das, was die schottische Geschichte im Verlauf des Spätmittelalters prägen sollte, müssen wir zunächst unseren Blick nach England setzen. Der bereits zu Genüge erwähnte Heinrich II. war nicht berühmt wegen seines Jähzorns, sondern auch als Ehemann Eleonores von Aquitanien, und als der Vater zweier rivalisierender Brüder, die es Dank popkultureller Überlieferung in das allgemeine Gedächtnis gebracht haben. Es geht um Richard Löwenherz und Johann Ohneland, letzterer besser bekannt als der fiese Prinz John aus den Geschichten rund um Robin Hood. Für die schottisch-englischen Beziehungen ist dieser Kampf zweier ungleicher Brüder weniger interessant, auch wenn John Ohneland 1215 als König die Magna Carta unterzeichnete und damit das erste britische Verfassungsdokument erstellen ließ. Sein Sohn Heinrich III., benannt nach seinem jähzornigen Großvater, war in seiner sehr langen Amtszeit zu sehr damit beschäftigt, in Frankreich verlorenes Territorium zurückzugewinnen und endgültig zu verlieren, während er im Inneren mit aufsässigen Lords kämpfen musste. In dieser Zeit aber war es sein Sohn Edward, der von der langen Regentschaft seines Vaters, immerhin die viertlängste in der Geschichte der britischen Monarchie, merkte, dass die Expansion Englands auf dem Kontinent keinen Sinn hatte, wenn nicht erst die eigene Insel unter Kontrolle Londons war. Nach dem Tod seines Vaters, von dem Edward auf der Rückkehr von einem Kreuzzug erfuhr, machte er sich daran eine alte Rechnung mit den Walisern zu begleichen. Deren Fürsten waren in den Auseinandersetzungen, die sein Vater mit den Baronen hatte, auf die Seite der englischen Earls gewesen, gegen die Edward eindrucksvoll und siegreich Krieg geführt hatte, um aus der Position des Siegers heraus neue Verhandlungen auf Grundlage der Magna Carta zu führen. Diesen Verrat jedoch hatte Edward den Walisern och nicht verziehen. Hinzu kam, dass die Waliser Fürsten formal Lehnsleute der englischen Krone waren, aber sie Edward den zu zahlenden Tribut verweigerten. Die Lage spitzte sich immer weiter zu, bis Edward schließlich mit einer Armee komplett Wales eroberte und die Teile, die er nicht erobern konnte von der Außenwelt so abschottete, dass diese innerhalb kurzer Zeit aufgaben.

Mit diesen Erfahrungen war es für Edward nun auch möglich, sich den alten Feinden im Norden zuzuwenden, die immer wieder die kritische politische Lage Englands ausgenutzt hatten, um Vorstöße und Überfälle zu wagen, während die beiden Könige Alexander II. und III. dennoch die europäische höfische Kultur weiter praktizierten und ausbauten. Hinzu kam ein unklarer Status einiger Regionen Schottlands, die offiziell unter englischer Herrschaft standen, was den schottischen König zwar irgendwie zu einem Lehnsmann des Engländers machte, aber irgendwie auch nicht, denn ein Großteil Schottlands war eben nicht unter dieser Herrschaft. Mit anderen Worten: Die Sache war vertrackt und musste irgendwie gelöst werden. Da man es Jahrhunderte lang mit Krieg probiert hatte, was keinen eindeutigen Sieger hervorbrachte, war es dann an der Zeit, dass man das Mittel der Hochzeit nutze. Nachdem plötzlichen Tod Alexanders III. war es möglich, dass seine Tochter Magarete, Eduard jr. hätte heiraten können. Dies aber passierte nicht, denn Margarethe starb vor der Hochzeit. Eine solche Verbindung hätte die spätere Personalunion 300 Jahre früher stattfinden lassen. Doch der Tod bereitete diesen Überlegungen ein Ende, öffnete aber eine andere Tür. Da Alexander III. und auch Magarete tot waren, gab es keinen direkten Thronfolger mehr und mehrere Prätendenten standen zur Wahl, unter anderen ein Mann namens Robert de Brus, ein Nachfahre des reichen Wirtschaftsmagnaten David von Hundington, dessen Tochter den Urgroßvater Roberts geheiratet hatte. Der andere Kandidat war Johann Balliol. Nach schottischer Tradition hätten diese beiden jetzt jahrelang miteinander Krieg führen können, um eine Entscheidung zu treffen, doch König Edward schlug ein anderes Mittel vor. Da er ja irgendwie ein Interesse an einem Lehnsmann hatte, wollte er Richter sein, welcher von beiden die schottische Krone erhalten sollte.  Edward war dabei sehr überzeugend, denn die schottischen Lords stimmten seinem Vorschlag zu und so bestimmte Eduard nach einem ordentlichen Wahlprozess für Johann Balliol – eine allgemein akzeptierte Entscheidung, bis Eduard daran ging, dem neuen schottischen König klarzumachen, dass er es sei, dem er seine Position verdanke und er daher ein paar Zugeständnisse machen müsste. Dass diese Zugeständnisse vor allem etwas mit der Herrschaft Edwards über Schottland zu tun hatten, erklärt sich von alleine.

Das passte dem schottischen König zwar gar nicht, aber er stimmte nahezu jeder Bedingung Zähne knirschend zu – bis Edward ihn als seinen Lehnsmann befahl gegen Frankreich zu ziehen, was der schottischen Staatsräson zuwiderlief. König Johann weigerte sich und schloss stattdessen ein neues Bündnis mit Frankreich. Das wiederum führt zu einem Kriegszug Edwards gegen Johann, der von diesem so überrollt und so geschlagen wurde. Öffentlich dankte er ab und übergab den Königsthron an Edward. Damit war Edward 1296 am Ziel: Er war der erste britische König.  Macht aber, das lehrt uns Shakespeare in Macbeth, korrumpiert und verdirbt den Charakter. Edwards Führungsstil, der immer auf den Ausgleich zwischen Krieg und Verhandlung setzte und dabei das Recht an die höchste Stelle stellte, auch wenn er es ab und an biegen musste, verkam mehr und mehr zu einer Willkürherrschaft, gegen die sich auch in England selber Opposition regte. Diese aber folgte dem Beispiel Edwards und stellte seinen Anspruch rechtlich auf die Probe, ein probates Mittel seit der Magna Carta. Diese Auseinandersetzung gewann Opposition und das hinterließ Spuren im gesamten Reich Edwards.

In Schottland blieb die Thronbesteigung Edwards I als schottischer König nicht unbeachtet. Im Gegenteil. Denn mit dem neuen König wurde etwas eingeführt, was vorher in Schottland unbekannt war: Steuern! Das erboste so ziemlich jeden Schotten, ganz gleich ob High- oder Lowlander. So war es leicht, eine Armee zusammenzustellen, die gegen die englischen Restriktionen aufstand und kämpfte. Doch stand an ihrer Spitze kein Königskandidat, sondern der Sohn eines niedrigen Lairds aus dem mittleren Lowlands, dessen erster öffentlicher Akt die Ermordung eines englischen Sherriffs, also eines Beamten, der unter anderem für das Eintreiben der Steuern zuständig war: William Wallace.

Wallace aber war zwar der strategische Anführer im Krieg, aber um eine Revolte zu organisieren, waren andere Personen nötig, eine davon war zufällig, der Lehensherr von William Wallace mit Namen James the Stewart, allerdings auch der Bischof von Glasgow, der Anfang des 14. Jahrhunderts Robert Brus, den Enkel des ehemaligen unterlegenen Thronprätendenten, zum neuen schottischen König Schottlands krönen sollte, obwohl Edward nicht abgedankt hatte. Ziel dieses Netzwerks war es zunächst, die Unruhen innerhalb Schottlands zu nutzen und zu kanalisieren, so dass alle Strömungen zusammen gegen den gemeinsamen Feind vorgingen. Wallace als Lowlander war für die Highlander keine wirkliche Führungsfigur, so dass es auch einen Highland-Anführer brauchte, den es aber zum Glück mit Andrew Murray gab. 1297, ein Jahr nach der Thronbesteigung Edwards kam es zur Vereinigung der der beiden Armeen, die am 9. September bei der Brücke von Sterling auf das englische Aufgebot trafen, das mittlerweile nach Schottland geeilt war, um dem Treiben ein Ende zu setzen. Machen wir es kurz: Die Schotten gewannen, Murray wurde verwundert und erlag seinen Verletzungen, doch die Schotten waren guter Hoffnung, die Dinge wieder ins Reine gebracht zu haben, wie ein Brief an die Kaufleute aus Hamburg und Lübeck beweist, in dem Wallace diesen mitteilt, dass es wieder sicher sei, mit Schottland Handel zu treiben. Doch das war ein Fehlschluss.

Edward persönlich kam nun direkt aus Frankreich, wo er einen Frieden mit Phillip dem Schönen geschlossen hatte, um sich der schottischen Angelegenheit anzunehmen. Im Juli 1298 schlug er die schottische Armee bei Falkirk, doch war es ihm nicht mehr möglich die Ordnung von 1296 wieder herzustellen, auch wenn er es probierte. Zuerst musste dafür der „wahre Held des Königreiches für die Unabhängigkeit des schottischen Volkes“, wie es in einer zeitgenössischen Quelle über William Wallace heißt, gefangen werden. Das war einfach, denn nach der Niederlage war Wallace, die Lowlander, also als Kämpfer eigentlich ungeeignet, geflohen und in Ungnade gefallen, so dass er sich in Schottland nicht mehr sehen lassen konnte. So reiste er nach Frankreich, wo er einigermaßen sicher, aber ohne Einkommen war. Die Rückkehr nach Schottland war also zwingend und so geriet er 1305 in englische Gefangenschaft. Hätte Edward ihn einfach ohne großes Tamtam hinrichten oder in einem Gefängnis versauern lassen, hätte er seine Pläne in Schottland sicherlich besser umsetzen können, denn er gestand den Schotten nun wesentlich mehr Freiheiten zu als 1296. Doch Edward wollte Wallace bluten sehen und veranstaltete einen für die damalige Zeit medienwirksamen Schauprozess, an dessen Ende Wallace gevierteilt und die Leichenteile in alle Winkel Schottlands gebracht wurden. Damit hatte Wallace den Status einen Märtyrer für die schottische Freiheit erreicht und forderte die anderen Noblen Schottlands zur Tat. Der Krieg ging erneut los und diesmal gab es mit Robert Brus auch einen König, dem man folgen konnte. Der hatte zwar die Flucht nach vorne angetreten, weil er 1306 einen englischen Lord im Streit erschlug und so wahrlich persönliche Gründe hatte, für die schottische Freiheit zu kämpfen, das änderte aber nichts daran, dass er mit der Schlacht von Bannockburn 1314 die Engländer endgültig aus Schottland vertrieb und als Robert I. uneingeschränkter König war.

Die Ruhe zwischen den britischen Nachbarn dauerte aber nicht lange an. Nach dem Tode Roberts bestieg mit David II. ein fünfjähriger den schottischen Thron – ein gefundenes Fressen für Edward III. von England, der nur etwa zehn Jahre älter war, aber zeigen wollte, dass er unabhängig von seiner Mutter und ihrem Liebhaber das Land regieren konnte. Mit nur 19. Jahren setzte er deren Treiben ein Ende und nutze die Chance, um in Schottland einzumarschieren und es 1333 wieder zu einem englischen Lehen zu machen.

Seine Bemühungen wurden durch den Ausbruch des 100jährigen Krieges mit Frankreich ausgebremst, so dass sich dieser zweite schottische Unabhängigkeitskrieg bis in den 1350er Jahre hinzog. Die Schotten holten in dieser Zeit französische Ritter nach England, hatten aber ihre große Not mit diesen Fremden: 

„In Schottland verbreitete sich schnell die Nachricht, dass eine große Truppe französischer Soldaten im Lande angekommen war. Manche brummten und sagten: ‚Was zum Teufel hat die hierhergebracht? Können wir unsere Kriege mit England nicht ohne ihre Hilfe erledigen? Solange die hier sind, kommen wir zu nichts Gutem. Heißt sie zurückzufahren. Wir sind genügend Leute in Schottland, um unsere Streitigkeiten selbst auszutragen und wollen ihre Gesellschaft nicht. Wir verstehen auch ihre Sprache nicht und sie nicht die unsere und wir können nicht miteinander reden. Schnell werden sie alles im Lande verzehrt und vernichtet haben und uns mehr Schaden zufügen, als es die Engländer mit ihren Schlachten vermögen, wenn wir ihnen erlauben, bei uns zu bleiben. Wenn die Engländer unsere Häuser anzünden, was macht das schon? Wir bauen sie schnell mit Leichtigkeit wieder auf. Das dauert nur drei Tage, gesetzt den Fall wir haben fünf oder sechs Balken und Äste, um sie zu decken.‘ So redeten die Schotten bei der Ankunft der Franzosen. Sie schätzen sie nicht, sondern hassten sie aus tiefster Seele und beschimpften sie so roh und kräftig, wie die Schotten nun einmal sind.“

So schrieb es der bereits erwähnte belgische Autor Jean de Froissart. Doch die Schotten waren nicht nur den Franzosen gegenüber misstrauisch, auch ihren eigenen Leuten vertraute man kaum. Die Familie Balliol etwa, die mit König Johann den letzten König vor Edward I. gestellt hatte, sah in den kindlichen David II. eine echte Chance wieder den Thron zu besetzen, was allerdings durch zu wenige Anhänger vereitelt wurde. Doch dann geschah etwas Ungewöhnliches, Edward Balliol, der gerne schottischer König geworden wäre, wandte sich an den englischen Edward und versprach ihm, David II. abzusetzen. So kam es zu einer unheiligen Allianz, die das gesamte Land im Norden der britischen Insel verwüsten sollte. Dass die Pest noch dazwischenkam, tat ein Übriges, um die Situation zu verschlimmern. David II. wurde dann auch gefangenen genommen und nach England verbracht, wo er elf Jahre blieb.

David II. gilt als schwacher König, hatte es aber aufgrund seines Vaters auch nicht leicht, Anerkennung zu finden. Sein Verdienst liegt weniger im Kämpfen, darin versagte er tatsächlich, als in den andauernden Verhandlungen mit seinem Schwager Edward, dessen Schwester er schon im Kindesalter hatte heiraten müssen, um Frieden zu halten.

David kam der weitausgrößere Krieg mit Frankreich zur Hilfe. Dieser verschlang enorme Summen, so dass die Kriegsführung in Schottland nicht mehr lohnte. Stattdessen wurde der noch immer im Tower sitzende David II. freigekauft, um den Krieg mit Frankreich zu finanzieren. Als Edward III. 1377 starb, war diese Schuld, die ursprünglich 100.000 Mark betragen hatte, noch immer nicht abgegolten.

In der Zeit der königlichen Gefangenschaft hatte Robert Stewart das Reich verwaltet. Nach dem Tode Davids 1371 übernahm er daher gleich selbst den Königstitel. Seine Familie sollte den Krieg mit England noch lange weiterführen, aber die Freiheit Schottlands war in den kommenden Jahrhunderten niemals wieder in Gefahr, wie in den neunzig Jahren zwischen 1290 und 1380.

Mit James VI. Stewart kam ein schottischer König 1603 auf den englischen Thron. 1707 wurde die Personalunion durch den Vertrag der Einheit durch ein Vereinigtes Königreich ersetzt, denn die Briten hatten gemerkt, dass vor ihrer Küste eine Welt zu erobern war, woran auch die Schotten partizipieren wollten.

Diese über 400 Jahre andauernde Einheit wurde vor wenigen Jahren aufs Spiel gesetzt, als 2015 der Brexit verkündet wurde, der zwar in England ein voller Erfolg war, aber von den Schotten mehrheitlich abgelehnt wurde. Und so versprachen sie kurz darauf in Werbespotts: Europe, we will came back.

Ob das funktioniert, werden wir sehen. Für das Jahr 2024 ist ein Referendum angekündigt. Ob diesem ein dritter Unabhängigkeitskrieg folgen wird oder zähe Verhandlungen, werden wir sehen.

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