Die Kakaobohne ist göttlichen Ursprungs – glaubten sowohl die Maya als auch die Azteken. Daher wurde sie bei beiden als Zahlungsmittel genutzt. Der Konquistador Cortez brachte sie und ihren Trank nach Europa, von wo aus sie erst den Adel und dann das Bürgertum verzückte. Heiß oder kalt – die Trinkschokolade revolutionierte die europäischen Trinkgewohnheiten. (Artikel von 2015)
Kakao und Schokolade – der Klang dieser Wörter zeigte schon, dass sie keinesfalls aus dem indoeuropäischem Sprachraum kommen. Beide Worte haben ihren Ursprung in Amerika und beide Worte bezeichnen dasselbe Getränke. Ka-ka-wa war der Begriff der Maya, Xocoatl nannten ihn die Azteken. Was für uns aber nach dem zarten Schmelz der Vollmilchschokolade oder nach einer Tafel schwarzer Herrenschokolade klingt, war für die beiden Völker Mittelamerikas ein bitter schmeckendes Gebräu, dass mit allerhand Gewürzen verfeinert wurde. Ob wilder Honig oder Chili – Beimengungen zur Schokolade sind keine wirklich neue Erfindung.
Kein anderer als der spanische Eroberer Hernado Cortez war es, der die Bedeutung der Kakaobohne entdeckte. Zunächst war es reiner Selbstzweck: Cortez war aufgefallen, dass diese Bohne als Geldmittel genutzt wurde. Nachdem er zahlreiche von den Azteken in den 100 Jahren vor seiner Ankunft besiegte Völker auf seine Seite bringen konnte und so relativ schnell das Reich der Azteken übernahm, ließ er die Bohne überall anbauen, um mit ihr seine Verbündeten zu bezahlen und auf seiner Seite zu halten. Andererseits war die Paste, die man aus der Bohne herstellen konnte, extrem haltbar, was seine Erkundungs- und Eroberungszüge in puncto Verpflegung sicher stellte. War der Geschmack auch kaum tragbar, verhungern mussten seine Leute nicht.
Kaum kamen aber die spanischen Kolonisten nach Mexiko, bemerkten sie, dass in der Neuen Welt aus der Kakaobohne in erster Linie ein Getränk hergestellt wurde. Die Bohne war den Tolteken durch den Wind- und Mondgott Quetzalcoatl gebracht worden, den auch Azteken und Maya verehrten. Daher sprach man ihr und den aus ihr entstandenen Produkten eine stärkende und sogar heilige Kraft zu. Die Maya gaben den Trunk sogar ihren Toten mit ins Grab, um ihnen den Weg ins Jenseits zu erleichtern.
Ein solches Getränk konnte man nicht aus einfachen Schalen trinken, dazu benötigte man besonders verzierte Gefäße, die, wenn sie schon nicht aus Gold gefertigt waren, dann doch zumindest eine auffällige Schnitzerei benötigten. Es mag die mit dem Getränk verbundene Heiligkeit gewesen sein, die dafür sorgte, dass sich so mancher Kirchenmann über das Getränk ereiferte. Als man einige Damen der besseren Gesellschaft im 16. Jahrhundert verbieten wollte, das heidnische Getränk in der Kirche zu sich zu nehmen, blieben diese der Messe fern, bis man nachgab und sie weiterhin während der Liturgie in den Genuss des Getränks kamen. Der Kakao wurde so vom heiligen Gebräu der Maya und Azteken zum Statussymbol der neuen spanischen Oberschicht und es dauerte daher auch nicht lange, bis schließlich der Funke nach ganz Europa übersprang.
Kaiser Karl V. war es wohl, der 1528 als einer der ersten den Trunk auf europäischem Boden zu sich nahm. Die Bitterkeit im Geschmack aber schreckte den Gaumen der meisten Europäer ab. Erst als einfallsreiche Spanier auf die Idee verfielen, dem Getränk den ebenfalls neuen Zucker beizufügen, kam es zum Durchbruch.
Der Wert des Kakaos war nicht nur den Spaniern aufgefallen. Auch die in Südamerika stationierten Portugiesen und Franzosen bekamen mit, was sich bei den Spaniern abspielte und durch die ohnehin international gehaltene Seefahrergemeinschaft konnten Geheimnisse nicht lange bestehen. Niederländer und auch Briten erhielten Nachricht von dem Getränk und so wurde es geraubt und durch die Portugiesen erst in Westafrika angebaut und später durch die Niederländer auch im Gebiet des Indischen Ozeans. So ging der Preis, der für den Kakao bezahlt werden musste, nach unten – war aber für die meisten Normalbürger in Europa noch immer unerschwinglich.
Die alte Tradition der Azteken blieb dabei auch in Europa erhalten. Zwar war das Getränk mittlerweile viel süßer geworden, doch seine kräftigende Wirkung hatte es nicht verloren. Diese wurde von zahlreichen Ärzten des 17. Jahrhunderts angepriesen. 1631 erschien Colmenero de Ledesmas Werk über den „indianischen Trank“, der in der Lage sein sollte,„fruchtbarer zu machen“ und „Bauchschmerzen zu heilen“. 1644 wurde Ledesmas Arbeit unter dem Titel „Chocolathe“ in deutscher Sprache veröffentlicht und fand zahlreiche Nachahmer. So schrieb Stephan Blancard 1704, dass es „die Chocolate ist, die euch erquicken soll“. Dank solcher Werbung nahm der Schokoladenimport nach Deutschland im 18. Jahrhundert zu, bis 1765 die erste Schokoladenfabrik bei Hannover gegründet wurde.
Mit dem Ende des 17. Jahrhunderts nahm das Zeitalter des Barock seinen Anfang und mit ihm die Hochphase des Kakaogenusses in Europa. Das lag vor allem daran, dass die Trinkschokolade teuer war. Neben der Kakaobohne selber waren es auch die Zuckerpreise, die das Getränk lediglich für den Adel und das betuchte Bürgertum erschwinglich machten. Es versteht sich von selbst, dass ein solch teures Gut zu einem Statussymbol dieser Schichten werden musste. Als in Europa dann noch bekannt wurde, dass niemand anders als Ludwig XIV. keinen Tag ohne Schokolade verbrachte, war an den Adelshäusern, die ihm allesamt nachstrebten, kein Halten mehr. Das Bürgertum, das außer seinen Werten von Fleiß und Anstrengung, keinen eigenen Stil entwickelt hatte, schloss sich dieser Sitte an und etablierte den Kakao in seinen Kreisen.
Ein solch edles Getränk benötigte auch eine besondere Art von Gefäß – auch darin war man im alten Europa den Altamerikanern nicht unähnlich. Poliertes Silber und feinstes Porzellan sollten den heilsamen Trank noch wertvoller erscheinen lassen. Jedes Heißgetränk der Neuen Welt bekam so ein eigenes Service. Die Trinkschokolade erhielt eine zylinderförmige Kanne, die einen abstehenden Griff an der Seite besaß und am Deckel ein Loch, um einen Quirl einzuführen, der das Getränk noch aufschäumen sollte. Neben den klassischen Untertellern, erprobte man in Meißen auch die Kopjes. Dabei handelte es sich um Unterteller, die eher der Tasse selber glichen und diese so umschlossen, dass man sie in der Hand halten konnte, ohne sich zu verbrennen.
Als Napoleon 1806 die Kontinentalsperre festsetzte, schnitt er Europa weitgehend von seinen Handelswegen ab. Der Kakao war dadurch aber nur indirekt betroffen, er wurde weiterhin importiert. Anderes galt für das Zuckerrohr. Die Europäer wechselten daher zur Zuckerrübe, die sich auch in heimischen Gefilden anbauen ließ, was nicht nur den Zuckerpreis viel günstiger machte, sondern in der Folge auch den Kakao.
Die aufkommende Industrialisierung, die auch auf die Landwirtschaft Auswirkungen hatte, sorgte für eine höhere Produktion an Kakao. Auch die zuvor aufwendige Arbeitsweise, bei der die Bohnen erst geröstet, von der Schale getrennt, unter Einsatz von Feuer zart gerieben und schließlich mit Zucker verrührt werden mussten, wurde durch den Einsatz von Tieren, Wind- oder Wassermühlen und schließlich von Dampf immer leichter. Als der Niederländer Caspar von Houten 1815 schließlich noch eine Möglichkeit fand, Kakaopulver herzustellen, war es nur noch ein kleiner Schritt, bis der Kakao günstig für alle zu haben war. Spätestens da verlor er seinen Reiz für die Oberschicht. Aber auch als Getränk wurde die Schokolade immer weiter durch die Tafelschokolade abgehängt, die seit dem 19. Jahrhundert das ist, an das man denkt, wenn man das Wort Schokolade hört.