Integrationskurse: Ein System voller Widersprüche

Seit Jahren spielen Integrationskurse eine zentrale Rolle in der deutschen Einwanderungspolitik. Sie sollen Migrantinnen und Migranten die deutsche Sprache vermitteln und ihnen den Einstieg in die Gesellschaft erleichtern. Doch wer sich das System der Integrationskurse genauer ansieht, erkennt schnell: Es krankt an strukturellen Problemen, die nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch die Lernenden ausbaden müssen. Mehr Geld allein löst diese Probleme nicht – vielmehr braucht es eine Reform der gesamten Struktur.

Lehrer: Die Schattenseite der Selbstständigkeit

Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte in Integrationskursen arbeitet auf Honorarbasis. Auf den ersten Blick scheinen die Honorarsätze von über 40 Euro pro Stunde attraktiv. Doch der Schein trügt. Bezahlt wird nur für die tatsächlich unterrichteten Stunden – Krankheit, Feiertage oder unterrichtsfreie Zeiten bedeuten Verdienstausfall. Zudem müssen Honorarkräfte Renten- und Krankenversicherung vollständig selbst zahlen. In der Praxis schrumpft ihr Nettoverdienst dadurch erheblich.

Wer stattdessen in Festanstellung arbeitet, kommt oft auf ein Nettogehalt von rund 2.500 Euro – kaum mehr als in vielen ungelernten Jobs. Einige Träger halten ihre Lehrkräfte sogar absichtlich in Scheinselbständigkeit, um Sozialabgaben zu sparen. Dabei tragen diese Lehrer eine immense gesellschaftliche Verantwortung: Sie sind es, die die sprachlichen und kulturellen Grundlagen für die Integration vermitteln.

Träger: Zwischen Konkurrenz und Kontrolle

Die Organisation der Integrationskurse liegt in den Händen privater Bildungsinstitutionen, der sogenannten Träger. Sie erhalten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Gelder für die Kursdurchführung, doch deren Verwendung ist oft undurchsichtig. Träger stehen in ständigem Wettbewerb miteinander. Ein Träger hat vielleicht genehmigte Kurse, aber keine Teilnehmenden, während ein anderer zwar Interessierte hätte, aber keine Genehmigung für den Kurs.

Noch komplizierter wird es, wenn Jobcenter sich einmischen. Obwohl sie offiziell keine Entscheidungsgewalt haben, diktieren sie mitunter die Unterrichtsmodalitäten: Abendkurse müssen plötzlich länger dauern oder an bestimmten Tagen stattfinden, weil es in einem internen Plan so vorgesehen ist. Flexibilität gibt es kaum.

Die Träger bieten auch die Sprachprüfungen an, die für den erfolgreichen Abschluss des Integrationskurses notwendig sind. Dabei haben nicht alle Träger eine Prüfungslizenz – in solchen Fällen müssen die Lernenden zu einem Konkurrenten, was die Planung noch komplizierter macht.

Prüfungen: Ein teures Monopol

Am Ende jedes Integrationskurses stehen zwei Tests: der „Deutsch-Test für Zuwanderer“ (DTZ) und der Test „Leben in Deutschland“. Letzterer wird vom BAMF organisiert, doch der Sprachtest wird von privaten Anbietern durchgeführt. Bis vor Kurzem war die telc GmbH dafür zuständig, inzwischen ist es die gast GmbH. Für die Lernenden macht das keinen Unterschied: Der Prüfungsablauf ist starr reglementiert und die Tests können fast auswendig gelernt werden.

Lehrer, die die mündlichen Prüfungen abnehmen, müssen spezielle Schulungen absolvieren – für jede Niveaustufe eine eigene. Dabei sind die Unterschiede zwischen A2 und B1 oder B1 und B2 für erfahrene Lehrkräfte längst klar, doch ohne das offizielle Zertifikat dürfen sie nicht prüfen. Auch für Träger gibt es teure Lizenzvergabeprozesse, die das System weiter belasten.

Folgen für die Integration

All diese strukturellen Probleme haben direkte Auswirkungen auf den Integrationsprozess. Die unklare Finanzierung und schlechte Bezahlung führen dazu, dass qualifizierte Lehrkräfte das System verlassen. Das Lehrpersonal wechselt häufig, was für die Kursteilnehmenden bedeutet, dass sie sich immer wieder auf neue Lehrmethoden einstellen müssen.

Der Konkurrenzdruck zwischen den Trägern und die mangelnde Koordination sorgen dafür, dass viele Teilnehmende nicht den bestmöglichen Kurs oder Prüfungsort erhalten. Gleichzeitig setzen die Prüfungsmodalitäten Anreize zum bloßen Auswendiglernen anstatt zum echten Sprachgebrauch.

Ein weiteres Problem ist die strenge Reglementierung durch das BAMF. In einem System, das so stark von behördlichen Vorgaben und privater Konkurrenz geprägt ist, bleibt oft keine Zeit für individuelle Förderung. Dabei ist gerade diese entscheidend, um nachhaltige Integration zu ermöglichen.

Ein reformbedürftiges System

Das System der Integrationskurse ist ein paradoxes Konstrukt: Der Staat gibt die Regeln vor und finanziert das Ganze, gleichzeitig wird der Marktmechanismus genutzt, um Kosten zu sparen. Doch dieser vermeintliche Markt funktioniert nicht. Es gibt nur einen Auftraggeber – das BAMF – und die Lehrkräfte, Träger und Prüfungsorganisationen konkurrieren um begrenzte Mittel. Das führt nicht zu besseren Leistungen, sondern zu ineffizienten Strukturen, unnötigen Kosten und unklaren Zuständigkeiten.

Eine mögliche Lösung wäre eine klare staatliche Verantwortung. Wäre Integration wirklich ein prioritäres Ziel, dann wären die Lehrkräfte nicht prekär beschäftigt, sondern verbeamtet. Einheitliche Strukturen und transparente Mittelverwendung würden das System effizienter machen – und vor allem den Teilnehmenden die bestmögliche sprachliche und gesellschaftliche Integration ermöglichen.

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