Die Straßennamen in Nächstebreck erzählen viele Geschichten über die ehemaligen Bewohner unseres Stadtteils. Oftmals sind die Straßen nach ihnen benannt. In dieser Ausgaben wollen wir uns einmal ein paar dieser Straßennamen anschauen. In ihnen zeichnen sich nicht nur Familiengeschichten ab, in ihnen wird auch das traditionelle Verhältnis von Mensch und Umwelt sichtbar. So finden sich Tiernamen in den Straßen – oftmals in Verbindung mit anderen Bezeichnungen, die auf Tätigkeiten und landschaftliche Gegebenheiten hinweisen. Daneben gibt es zudem auch Ortsnamen, die weniger durch Straßen- als durch Haltestellennamen im Gedächtnis bleiben. Diesmal soll es daher einmal nicht nur um die Geschichte der Straßen, sondern um zum Teil seltsam anmutende Ortsbezeichnungen gehen.
Mählersbeck
In alten Dokumenten ist der Bach, der der Straße den Namen gab, nur als Beeck bekannt. Schon im Jahre 1361 findet sich die Beke in einem alten Dokument. Um das Jahr 1500 herum wird dieser Hof aufgeteilt. Und im 16. Jahrhundert ist die Familie Beckmann, die von ihm stammte, als Besitzer nicht mehr nachweißbar. Ihnen folgte eine Familie Vogt nach, doch auch sie blieb nicht lange. Endlich, ab 1645 wohnt dort die Familie Mähler, die dort Bleicherei betrieben. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts befinden sich viele kleine Höfe auf dem ehemaligen Gut Beke, auch der letzte Bleicher an der Mählersbeck, Johann Caspar Bockmühl, der aus Barmen eingewandert war, geht dort seiner Arbeit nach. Die Mählers gibt es auch noch. Johann Peter Mähler hat den Hof 1792 übernommen.
Junkersbeck
Zuwanderung aus dem Bergischen gab es in Nächstebreck recht häufig. Die Grenzregion zwischen Mark und Berg machte es vielen Familien möglich sowohl im westfälischen als auch im rheinischen Raum zu leben und zu arbeiten. Ein besonders kurioses Beispiel bietet die Familie von Peter Erlenlötter, der einen alten Hof bewirtschafte. Dieser wird schon im Märkischen Schatzbuch von 1486 als Becke erwähnt. Danach kommt er als Oberster Beck immer wieder vor. Peter Erlenkötter heiratete 1690 die Haaner Adelige Louisa Elisabeth von Bawyr. Die Nächstebrecker machten aus ihrem Ehemann ganz schnell einen Junker, der dann auch in den Schwelmer Taufregister als solcher auftaucht. Seine Tochter heiratet einen Mann aus Hagen-Wehringhausen, der ganz passend den Namen Edelmann trug und dessen Nachkommen dort bis ins 19. Jahrhundert nachweisbar sind.
Schrubburg
Eine Burg in Nächstebreck? Nein, nur ein bisschen. Die Familie Schrupp ist im 17. Jahrhundert nachweisbar. Ab 1659 finden sich ganze drei Mitglieder der Familie in den Beerdigungsverzeichnissen von Schwelm. Zwei der Mitglieder sind dort als pauperi bezeichnet, also als Arme. Können sich solche Menschen eine Burg leisten? Das kommt darauf an, was sich hinter dem Wort Burg verbirgt. Diese Burg ist wohl eine im 30jährigen Krieg entstandene Bauernburg aus Fachwerk, in die sich die Familie zurückziehen konnte, wenn die gegnerischen Soldaten kamen. Die Familie war vor dem Krieg daher wohl durchaus wohlhabend, hat aber im Zuge der wirtschaftlichen Einschränkungen dieses Krieges an Vermögen eingebüßt. Gehalten hat sich dieser Bau, außer im Namen selber, nicht.
Ecksteinloh
Anders als in den vorherigen Fällen ist beim Ecksteinloh der Hofesname ausschlaggebend für den Familiennamen gewesen. Schon 1310 findet sich dieser Hof unter dem Namen Lo in alten Akten. Dahinter verbirgt sich ein anderer Begriff für Wald. 150 Jahre später ist der Name Eckstein für den Hof belegt, was sich wohl auf die Topographie der Gegend bezieht, die erst abfällt und dann auf einen Höhenrücken zuläuft, für den man in anderen Dokumenten den Namen egge findet. Erst 1602 hat man beide Namen zu einem gemacht. 1502 ist der Besitzer des Hofes Dietrich von Wichlinghausen, der die Ortsbezeichnung in seinem Namen recht schnell ablegte und zum Eckstein wurde, so dass seine Nachfahren mit diesem Namen in Taufurkunden der Gemeinde Schwelm Ende des 16. Jahrhunderts auftauchen.
Uhlenbruch
Die Straße Uhlenbruch gehört erst seit 1970 zu Wuppertal und damit zu Nächstebreck. Davor waren Straße und Hof Teil der Bauerschaft Linderhausen. Schaut man auf die erste Erwähnung dieser Bauerschaft im Schatzbuch der Grafschaft Mark von 1486, findet sich dort der Name Ulenbroyck als Teil Linderhausens. Der Name des Hofes leitet sich von den Bewohnern dieses Fleckens im Mittelalter ab, den Eulen. Diese fanden hier ein kleines Bächlein, das hier entsprang und am Möddinghofe versickerte. Der Bach bewässerte die Gegend, so dass hier eine feuchte, bewirtschaftbare Wiese entstand. Diese Wiese ist im im zweiten Namensbestandteil „-bruch“ erhalten geblieben. Aus dem Hofesnamen entwickelte sich ab dem Spätmittealter der Familienname Uhlenbrock. Familiemitglieder dieses Namens war bis 1762 auf dem Hof ansässig. Der Junggeselle Johann Peter Uhlenbruch starb und der Hof ging an seinen Neffen Peter Caspar Küper aus Haßlinghausen. Mit dem 19. Jahrhundert zog die Industrialisierung in dieser Gegend ein. Der der Uhlenbruch wie ein Moor beschaffen war, war es möglich, hier aus Ton zur Ziegelbrennung zu gewinnen, was die Landschaft komplett veränderte.
Voßbleck
Auf mittelalterliche Wurzeln kann der Hof Voßbleck nicht zurückblicken. Bis 1500 findet sich in den Urkunden und Verträgen kein Hinweis auf ihn. Doch das Haus selber zeigt auf einer Tafel, wie alt der Hof dann doch ist. 1683 wurde das Gebäude von Johannes Kotthaus errichtet, der Presbyter der lutherischen Gemeinde in Schwelm war. Von Beruf war er Bleicher. Er nutze den Zugang zum Junkersbeck, um seiner Arbeit nach zu gehen. Die Wiesen am Hof dienten zum Bleichen des weißen Leinen. Ab dem 16. Jahrhundert ist der Hofesname als aufm Bleck, also auf der Bleiche,belegt.
Später kommt der Bestandteil Voß hinzu, hinter dem sich ein Fuchs verbirgt. Dahinter verbirgt sich nachweislich kein Eigentümermit Namen Voß, denn nach Kotthaus, dessen Name sich wohl von diesem Hof ableitet, handelt es sich doch um ein Kotten, kommt sein Schwiegersohn Ellinghaus in Besitz des Hofes und dessen Name bleibt bis ins 19. Jahrhundert mit dem Hof verbunden. Also ist der Fuchs wohl doch das Tier, dass sich hier auf den Wiesen des Bleicherkottenss ab und an zwischen (und vielleicht auch auf) den Tüchern herumgetrieben hat auf der Suche nach etwas Essbarem. Die ein oder andere Gans, das ein oder andere Huhn wird er dabei dann wohl auch erwischt haben.
Falkenrath
Nur der Vollständigkeit halber sei auch der Name Falkenrath erwähnt. Dieser Name ist der neueste und erst seit dem Jahr 1935 der Name der Straße. Der Name leitet sich von Caspar Georg Falkenrath ab, der das Gut Holtkamp 1803 übernimmt. Etwa 20 Jahre später ist der Familienname mit dem Hofesnamen identisch, der alte Name Holtkamp, der erstmals 1625 erwähnt wird, bleibt aber als Straßenname erhalten. Holtkamp war ab Mitte des 18. Jahrhunderts in Besitz der Familie Ellinghaus, die auch das Kotten am Voßbleck bewirtschaftete.
Hier wohnte der Goldwaagenmacher Johann Daniel Ellinghaus, nachdem er in den 1790er Jahren aus dem Bergischen Radevormwald weggezogen war. Die Bergische Obrigkeit hatte ihm vorgeworfen, Goldwaagen ohne Privileg herzustellen. Zudem gab es Gerüchte, seine Waagen seien ungenau. So drohte man ihm mit dem Entzug seines Werkzeugs. Er flog zurück ins Märkische Nächstebreck und ließ sich in dem Hof nieder, den er 1781 von seinem Vater geerbt hatte.
Ochsenkamp
Das letzte Hof mit tierischer Bezeichnung ist der Hof Ochsenkamp. Auch dieser Hof ist relativ jung, finden sich erste Spuren erst im 17. Jahrhundert, da aber unter dem Namen Aufm Nedderstenberge. Der Name Ochsenkamp ist erst ab 1704 nachweisbar, bleibt dann aber dauerhaft erhalten. In ihr findet sich die ursprüngliche Benutzung der Fläche wieder, auf der ab dem 17. Jahrhundert das Kotten stehen sollte. Es handelt sich um eine Wiese, auf der Ochsen geweidet wurden.
Die Geschichte des Hofes ist unweigerlich mit der Familie Beckmann verbunden, die im oberen Teil der heutigen Mählersbeck Bleicherei betrieb und familiär mit der Barmer Bleicherelite verbunden war. Sie sind es, die den Hof im 17. Jahrhundert gründen und damit die Ochsenwiese aufgeben, um einen Bleicherkotten zu errichten. Schon 1704 wird das Kotten erneut geteilt, als der Hof Eckern dazukommt. In beiden Gütern lässt sich bis in das 19. Jahrhundert hinein, die Familie Beckmann nachweisen. Allerdings heiratete Maria Catharina Beckmann 1785 Henrich Kemper aus Einern, so dass dessen Familienname im Ochsenkamp länger Bestand hatte.
Beckacker und Weiherstraße
Als ich ein Schüler war, fuhr ich regelmäßig mit dem Bus zur Gesamtschule Langerfeld. An der Weiherstraße musste ich oft umsteigen. Ich war damals über den Namen etwas irritiert, denn einen Weiher, also einen Teich, konnte ich nirgendwo erblicken. Erst später wurde mir klar, woher dieser Name kam. Wer sich die Topographie der Gegend anschaut, der sieht, das die Haltestelle Weiherstraße auf einem Plateau liegt, von dem nach Süden die Straße Schwarzbach hin abfällt, während es nördlich bergauf geht, eben dorthin, wo die vielen Straßen liegen, die durch den Zusatz -beck in ihrem Namen schon zeigen, dass es dort viele Bäche gibt. Bäche fließen den Berg hinunter. Ihr Wasser sammelte sich in dem Plateau, bildete einen Weiher oder aber Teich (Diek wie es in der Mundart genannt wurde) und floss von dort als Schwarzbach weiter in die Wupper.
Ein Bauer, der an diesem Zusammenlauf der Nächstebrecker Bäche einen Acker hatte, musste hart um seine Ernte kämpfen, denn der Acker war durch das viele Wasser zu feucht, um ordentliche Erträge abzuwerfen. So war der Ruf der Gegend durch den Begriff Beckacker gekennzeichnet und man wusste, dass es an diesem Acker an den Bächen kein gutes Land gab.
Hottenstein und Silberkuhle
Folgt man der Wittener Straße weiter nach Norden, gelangt man zum Hottenstein. Hier gibt es gar keine Straße, die diesen Namen trägt, aber neben der Haltestelle, weißen auch die Evangelische Kirche und die benachbarte Schule auf den Namen hin. Hottenstein ist eine Fachbezeichnung für eine besondere Art von Gestein. Es handelt sich um Sedimentgestein, dem vermutlich durch Wasserstau der Kalk entzogen wurde. Das Material verlehmt und eignet sich so hervorragend zum Bauen von Häusern, es ist als Stein zum Bau von Hütten, Hottenstein eben.
Dieser Name findet sich tatsächlich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in den Quellen, aber einen Steinbruch gab es bereits seit dem frühen 17. Jahrhundert, wenn auch für ein anderes Material. Der hier abgebaute Sandstein hinterlässt im verbliebenen Gestein einen hellen, blitzenden Schimmer, der an Silber erinnert. Wo Stein, der als Fundamentstein für Häuser verwendet wurde, gebrochen wird, entstand eine Kuhle, in der es silbern schimmerte, was zum Namen Silberkuhle führte. Bis 1805 trafen sich die Nächstebrecker Bauern in dem dortigen Kotten, um zur Bauerschaftsversammlung, in der in Eigenverantwortung politische und juristische Angelegenheiten geklärt wurden. Im Besitz hatte dieses Kotten die Familie Dicke, nach der auch der Dicke Hain benannt ist.
Bracken
Links von der Wittener Straße befindet sich die Siedlung Bracken, deren Name eng mit dem des ganzen Stadtteils Nächstebreck verbunden ist. Schon um das Jahr 1220 herum taucht der Name in den Dokumenten des Klosters Werden auf. Es sind aber mindestens zwei Höfe, die den Ausschlag für die Entwicklung der Siedlung gaben. Während der untere Bereich zum Kloster Werden gehörte, nannte den oberen Bereich das Essener Damenstift, eine Einrichtung für gut betuchte, fromme Frauen, sein Eigen. Bevor es aber diese Siedlungen gab, war das Land bewachsen mit Büschen und Sträuchern. Ein solches Land wurde schlicht Bracken genannt.
Neben dem Bracken in Nächstebreck, gab es auch noch ein weiteres Gut, das diesen Namen trug. Von Schwelm aus gesehen, was im Mittelalter und darüber hinaus das Zentrum für Nächstebreck war, lag dieses zweite Bracken jenseits und wurde zu Gennebreck, unser Bracken, das am nächsten an Schwelm anlag, wurde zu Nächstebreck.
Drei Grenzen
Diese 1486 als Bauerschaft Nächstebreck erstmals erwähnte politische Einheit hatte zwei Nachbar-Bauerschaften: Linderhausen und Haßlinghausen. Alle drei Bauerschaften trafen sich an einem Punkt, der nördlich von Nächstebreck, westlich von Linderhausen und südlich von Haßlinghausen lag. Hier grenzten drei Ortschaften aneinander, was dem Ort seinen Namen gab. Auch heute kann man dies in diesem Bereich noch erahnen, denn Linderhausen gehört zu Schwelm, Haßlinghausen zu Sprockhövel und Nächstebreck zu Wuppertal. Es war gut, dass die Haltestelle Drei Grenzen nicht in IKEA umgewandelt wurde, sondern als Kompromiss nun den Namen IKEA/Drei Grenzen trägt. So bleibt dieses interessante Detail der Stadtteilgeschichte sichtbar.