Wie der Sedansberg entstand

Wo früher Wichlinghausen war, sagen heute viele: „Das ist doch Barmen.“ Der Sedansberg liegt geografisch noch auf historischem Wichlinghauser Boden – doch mental, politisch und städtebaulich hat er sich längst emanzipiert. Wie das kam, zeigt ein Blick in die Geschichte von Gut Westkotten bis zur Barmer Baugenossenschaft.

Wenn man weit in die Vergangenheit zurückgeht, dann muss man wohl davon ausgehen, dass der Bereich, der heute als Barmer Nordstadt bezeichnet wird, irgendwann einmal zum Bereich Wichlinghausen gehörte. Heute ist davon nur noch wenig zu spüren. Wichlinghausen gehört politisch zur Bezirksvertretung (BV) Oberbarmen, die Barmer Nordstadt zur BV Barmen. Die Westkotter Straße trennt  beide Teile als Wahlbezirke in die Bereiche Sedansberg und Wichlinghausen-Süd.

Wie kam es dazu, dass beide Teile heute nicht mehr als Einheit sehen? Dazu ist es erst einmal nötig den Raum Sedansberg zu definieren. Neben der Westkotter Straße trennt im nördlichen Teil des Bezirks auch die Märkische Straße den Sedansberg von Wichlinghausen ab. Der Nordpark gehört politisch gesehen daher zum Sedansberg, das Restaurant Vockendahl hingegen zu Wichlinghausen-Nord. Alles, was oberhalb vom Nordpark liegt, gehört zum Bezirk Hatzfeld. Im Süden grenzt der Sedansberg an die Nordbahntrasse, die ihn vom Bezirk Barmen-Mitte trennt. Im Westen schließlich ist es die Carnaper Straße, die den Sedansberg von Unterbarmen unterscheidet. 

Die mentale Trennung zwischen Sedansberg und Wichlinghausen vollzog sich dann in drei Schritten. Zum einen lag innerhalb des oben abgesteckten Raums das Gut Westkotten, bei dem es sich wohl um einen ehemaligen Teil des Hofes Wichlinghausen handelte, das durch Erbteilung abgetrennt wurde. Im Verlauf des Mittelalters teilte sich dieses Gebiet noch weiter, so dass etwa der Hof Klingelholl und die Höfe im Bereich der nördlichen Leimbach entstanden. Mögen diese ersten familiär bedingten Abspließe sich durchaus noch zu Wichlinghausen gehörig gefühlt haben, war dies spätestens dann vorbei, als die Familie Klingelholl sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts auf den Bereich Klingholzberg konzentrierte und der letzte verbliebene Klingelholler zu Zeit des  30jährigen Krieges von seinem Hof verschwand. Ob dieses Verschwinden kriegsbedingt war, lässt sich nicht mehr nachweisen. Nach dem Krieg geht aus einer Steuerliste jedenfalls hervor, dass das Gut Klingelholl von einer Familie vom Scheidt besetzt wurde, die aus dem Märkischen, nämlich vom Schee, stammte. Auch andere Höfe in diesem Bereich bekamen neue Besitzer aus dem Herzogtum Kleve-Mark. Die neuzugezogenen Barmer mussten den alteingesessenen schnell zeigen, dass sie dazugehörten und konzentrierten sich daher darauf, sich in Barmer Gesellschaft zu integrieren. Dazu gehörte auch eine Loslösung vom Herzogtum Kleve-Mark, zu dem bis ins 19. Jahrhundert die Wichlinghauser teilweise gehörten. So scheint es aus dieser Integrationslogik heraus durchaus möglich, dass sie sich nach Barmen, nicht aber nach Wichlinghausen orientierten. Hinzu kommt, dass diese Neubarmer reformierten Glaubens waren, wohingegen die meisten Wichlinghauser an die Lehre Luthers glaubten. Ein Zentrum des reformierten Glaubens war aber auch schon vor der Gemeindegründung 1702 die Gemarke und somit das zentrale Barmen.  

Zweitens erfolgte die Besiedlung der unteren Leimbach von Gemarke aus. Zwar gab es bereits spätestens seit dem frühen 17. Jahrhundert einzelne Höfe an diesem Wupperzulauf, die wirkliche Bebauung begann aber erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die neue Stadt Barmen zog im Laufe dieses Jahrhunderts immer weitere Bewohner an, was dazu führte nach Norden angebaut wurde. Schon ab 1875 wurden daher im Bereich des Sedansbergs Straßenzüge mit Fachwerkhäusern durch die Barmer Baugenossenschaft für Arbeiterwohnungen (BBA) gebaut, die noch heute in der Schwalbenstraße oder der Theoderichstarße stehen. 

Darauf aufbauend kam es drittens in den 1920er Jahren zum großangelegten städtischen Bauprojekt Sedansberg, bei dem nach einem fest vorgegebenen Plan die Wohnsiedlungen entstanden, die das Bild des Sedansberges bis heute prägen. Das Material zum Bau dieser Siedlungen waren zu Steinen verarbeitete Überreste der seit 1908 am Klingelholl befindlichen Müllverbrennungsanlage, die bequem über die Straße Klingeholl zur Baustelle transportiert werden konnten. Die große Fläche des Sedansberges lud bei der Bebauung dazu ein, dass Areal nicht zu dicht zu bebauen, Grünflächen anzulegen und tatsächlich eine eigenständige neue Siedlung zu kreieren, in deren Mittelpunkt sich mit St. Marien sogar eine eigene katholische Kirche befand, die den eigenständigen Charakter der Siedlung neben der einschließenden Bebauung zusätzlich betonte. Die Siedlung Sedansberg wurde zudem als Stadtkrone Barmens erdacht, die jedoch auf ein realistisches Maß herunter gebrochen wurde. Das Hochhaus Amselstraße 23 bildet daher von der Barmer Stadthalle auf den Südhöhen aus gesehen eine Blickachse mit einem geplanten, aber nie realisierten Rathausturm hinter dem heutigen Wuppertaler Rathaus und sollte so den Anspruch Barmens gegenüber Elberfelds unterstreichen.  

Neben der Abgrenzung von der Mark im 17. Jahrhundert sind in meinen Augen sowohl der Ursprung der Bebauung von Gemarke aus als auch diese Bautätigkeit die Gründe dafür, warum westlich der Westkotter Straße für viele Menschen Wichlinghausen aufhört und sich die Menschen auf dem Sedansberg bis heute kaum als Wichlinghauser, sondern viel mehr als Barmer verstehen. Die Verbindung war historisch, ideell und architektonisch klar zu Barmen hin orientiert. Mit St. Marien als Tochtergemeinde von St. Antonius wurde diese Beziehung auch kirchlich unterstrichen. Dennoch liegt ein großer Teil des heutigen Sedansberges klar auf ehemaligen Wichlinghauser Gebiet.  

Ähnliches gilt auch für die oberhalb des Klingelholls gelegenen vier Gebäudekomplexe Siedlung Nordpark, Wohnhof Klingelholl, Siedlung Riescheider Straße und Wohnkolonie am Nordpark. Mit Ausnahme der Siedlung Nordpark, die bereits vor und in dem Ersten Weltkrieg angelegt wurde, entstanden die restlichen drei Komplexe allesamt in den 1920er Jahren. Der geistige Vater des Sedansberges und der nördlich davon gelegenen Siedlungen, der Barmer Stadtbaudirektor Eugen Rückle, zog sogar selber in eines der Häuser der Wohnkolonie am Nordpark ein.

Die Gleichzeitigkeit der Bautätigkeit am Sedansberg, im Bereich der Erlöserkirche, die ab 1912 durch die lutherische Gemeinde Wichlinghausen errichtet lassen wurde, und dem Bau der Friedhofskapelle an der Hugostraße durch die Gemeinde Gemarke in den 1920er Jahren, die man  Kircheraum nutzte, sorgte für eine über Jahrzehnte andauernde Baustellen auf dem Sedansberg, die von den Bewohnern als ein lang andauerndes Bauprojekt angesehen werden musste. Dieser Teil Wichlinghausens gehörte daher seit spätestens dem frühen 20. Jahrhundert mental nicht mehr dazu, sondern wurde ein eigenes Quartier.

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