Wer sich von Zeit zu Zeit zu Fuß durch die Straßen Wichlinghausens aufmacht, kennt die ruhigen Ecken des Stadtteils. Der alte Freudenberg gehört dazu, heute die Rathenausstraße, die an der Nordbahntrasse endet. Von ihr gehen viele kleine Straßen ab, etwa die Matthäusstraße. Während der untere, östliche Teil der Straße durch kleine Fachwerkhäuser gesäumt ist, finden sich im westlichen Teil der Straße moderne Gebäude, nicht modern im Sinne, dass sie erst wenige Jahre alt sind, sondern modern, weil sie aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts stammen.
Auf einem dieser Gebäude prangt die Werbung für den Malermeister Wessel, vormals fand sich dort der Schriftzug des Malers Schäfer. Doch es geht nur bedingt um das Haus Matthäusstraße 18, sondern um das Haus, das unter der auffälligen Werbung steht: Hier in der Matthäusstraße 20 wohnte bis 1971 der Kunstmaler Hermann Schmidtmann. Zwei Maler als Nachbarn, der eine auf der Leinwand, der andere auf Steinwand. Wichlinghausen hält oftmals wunderbare Zufälle bereit.
Schmidtmann wohnte aber erst seit den 1950er Jahren in dem kleinen Einfamilienhaus, blickte zu diesem Zeitpunkt aber schon auf einige Jahre in Wuppertal und vor allem Barmen zurück – und das, obwohl er als Ermanno Angelo Maria Schmidtmann 1896 in Saronno in Italien geboren worden war. Als junger Mann von 18 Jahren trat er wie so viele andere, betrunken von der Idee, auf dem Schlachtfeld ein Held zu werden, als Gefreiter in das deutsche Heer ein und kämpfte in Frankreich, bis ihm. mit Anfang zwanzig bereits im Rand eines Leutnants, 1917 ein Granatsplitter dienstuntauglich machte, so dass er in Berlin das Kriegsende erlebte.
Dort hielt es ihn aber nicht und so zog er 1919 nach Barmen. Der Grund dafür war sein Vater, der von hier gelebte hatte. Dieser Hermann war 1868 in Schwelm geboren und war Färber geworden. In dieser Eigenschaft arbeitete er später bei der Färberei Otto Sehlmann am Mühlenweg in Barmen. Der Vater scheint dort eine ordentliche Karriere gemacht zu haben, denn statt als Färber wird sein Beruf in späterer Zeit als Handelsvertreter in Mailand bezeichnet. Hermann der Ältere heiratete dort eine Italienerin, die auch Färberin war.
Nach seiner Geburt begann für den jungen Hermann ein Leben zwischen dem beschaulichen Saronno in der Lombardei, in dem kaum 10.000 Menschen wohnten und der Industriestadt Barmen, die zur selben Zeit schon knapp 150.000 Menschen zählte. Immer wieder reiste er zwischen diesen beiden Orten hin und her – ein Erlebnis, das prägend für seine Motive wurde. Schmidtmann malte mit Vorliebe Industrieorte, Menschen in Arbeit und rauchende Schlotte. Doch auch, und so wurde ich auf ihn aufmerksam, das bäuerlich Pittoreske interessierte ihn. Dieses zu finden, war für ihn in Barmen ebenfalls kein Problem. Das Gehöft Runkel in der Tütersburg hatte es Schmidtmann als Motiv angetan. Das Gehöft, Hausnummer 48, steht heute nicht, befand sich aber dort, wo heute der Spielplatz Hermannstraße angrenzt. Es wurde wohl, wie so viele Fachwerkhäuser in den 1960er und 1970er Jahren abgerissen, um Platz für Wohnraum zu schaffen.

Schmidtmann war in seiner Zeit in Barmen als Künstler aktiv, firmierte aber als Fabrikant in den Adressbüchern. Seit 1919 machte er eine Ausbildung an der Gewerbeschule in Barmen. Zahlreiche Umzüge bestimmten sein Leben. War er als 6jähriger zunächst bei seiner Oma in Schwelm untergekommen, zog seine Familie Anfang des 20. Jahrhunderts in die Finkenstraße am Sedansberg, in damals noch recht neuen Fachwerkhäuser der Barmer Baugenossenschaft für Arbeiterwohnungen. Als er 1919 zurück nach Barmen kehrte, wohnte er zunächst in der Stahlstraße 27, einem der neuerrichteten Gebäude im Umfeld der mächtigen Erlöserkirche. Nach seiner Heirat 1928 mit Hedwig Ochs zog das junge Paar nach Oberbarmen in die Herthastraße, heute Gudrunstraße am Klingholzberg, auch hier wieder in ein relativ neues Haus, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gebaut worden waren.

Schmidtmann scheint viel Zeit gehabt zu haben. Als Fabrikant, in welcher Branche ist nicht überliefert, verdiente er genug für sich und seine kleine, dreiköpfige Familie, und hatte auch genug Zeit, sodass er seiner Kunst nachgehen konnte. Das tat er verschiedentlich mit Ausstellungen in Düsseldorf, Hagen, Köln, Wuppertal und München. Aber auch in Mailand zeigte er seine Bilder, hielt er sich doch auch dort auf, um zu malen.
Die Orte seiner Kunstausstellungen zeigen seine Vernetzung. Er war Teil der Künsterlervereingung Das junge Rheinland und gehörte zur Künstlergruppe Die Wupper, die in den 1920er Jahren Ausstellungen organisierte. Auch nach Duisburg muss er Kontakte gehabt haben, denn ein Bild zeigt den dortigen Betrieb von Thyssen – gemalt ganz aus der Nähe. Doch finden sich keine Spuren Hermann Schmidtmanns im dortigen Archiv.
Die Werke Hermann Schmidtmanns finden sich an zahlreichen Orten, in kleinen Antiquariaten, in den Häusern von Privatpersonen und anderswo. Kein Werkverzeichnis existiert und wer nach ihm im Internet sucht, stellt fest, dass man auch seinem Vater unterstellt Künstler gewesen zu sein, was aber nachweislich falsch ist. Ermanno Angelo Maria Schmidtmann gehört so zu den vielen kleinen Künstlern, die nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten sind – doch von Zeit zu Zeit tun sich ihre Spuren auf.
Ich danke Ralf Behrens für die umfangreiche Recherchearbeit zur Hermann Schmidtmann.