Wie die Stadt Wuppertal mal davon träumte, ihr Wahrzeichen nach Nächstebreck zu verlängern.
Die Verkehrswende ist in aller Munde – leider auch täglich die mit ihr verbundenen Probleme. Eines davon, so heißt es oft, sei die rigorose auf das Auto zugeschnittene Stadtplanung der frühen Bundesrepublik gewesen. Im Norden von Barmen zeigt sich jedoch, dass diese Planung auch ganz andere Wege gehen konnte.
Wenn im Sommer 2026 das Freibad Mählersbeck in Nächstebreck (vielleicht) wieder eröffnet, dann werden zahlreiche Barmer wieder den Weg in das traditionsreiche Freibad finden, dessen Spuren bis zu einem Badeteich zurückreichen, dessen Existenz aber bei der aktuellen Planung für den Neubau glatt übersehen wurde, so dass man beim Fund mehr Erde ausheben musste als gedacht.
Die Existenz des Teiches an dieser Stelle erklärt auch, warum ausgerechnet an der Mählersbeck ein Freibad errichtet wurde. Der Bau an dieser Stelle hatte sich wegen der Tradition angeboten und so entschied Fritz Schmitz 1906 zum Bau eines Strandbads, obwohl es sich am Rand des Schwelmer Einflussbereichs befand und somit auch am Rande Barmens. Und das ist, sagen wir es offen, mehr als misslich, weil das Bad nur schlecht an den ÖPNV angebunden ist. Zwei Buslinien halten an der Haltestelle Beckacker Brücke, eine davon am Wochenende erst am späten Vormittag. Keine freundliche Computerstimme der WSW weist daraufhin, dass man das Freibad von dort erreichen könne.
Wie schön wäre es doch, wenn das anders wäre! Etwa so, dass man mit der Schwebebahn einfach von Oberbarmen aus innerhalb von fünf oder sechs Stationen bis hoch zum Freibad käme und quasi aus dem Wagen in das kühle Nass springen könnte. Was klingt, wie eine tollkühne Spinnerei, war tatsächlich einmal in Planung. Hintergrund war eine Stadtplanung, die groß dachte und sich dem Zuzug nach Wuppertal annahm. So sollte nicht nur neuer Wohnraum geschaffen werden, sondern gleich ein komplett neuer Stadtteil. Um gesamte Stadtherum entstanden Hochhaussiedlungen, die dem Problem der Wohnungsnot in den 1960er Jahren gerecht werden sollte. Am Rande der Stadt gab es genug Land, um neue Wohnkonzepte und Architektur zu erproben. Egal ob in Ronsdorf, Cronenberg oder am Eckbusch, überall wurden Hochhäuser des sozialen Wohnungsbaus errichtet. Auch im Westen Nächstebrecks begann man mit dem Bau. Die Hochhäuser an der Agnes-Miegel-Straße, Sternenberg oder Markland zeugen davon ebenso wie die vielen Ein- und Mehrfamilienhäuser im Bereich Stahlsberg.
Für Nächstebreck hatten sich die Stadtplaner etwas besonders ausgedacht, waren doch Wohneinheiten für bis zu 51000 Einwohner geplant. Die Pläne zogen sich sehr lange hin, was auch lange Zeit der einzige Kritikpunkt an dem Bauvorhaben war. Je länger man plante, umso größer wurde das Gebiet, das bebaut werden sollte. Was 1962 mit ca. 60 ha begonnen worden war, endete mit etwa 170 ha. Eine komplette Neubausiedlung sollte in den 1970er Jahren in Nächstebreck errichtet werden und von Drei Grenzen bis zur Märkischen Straße reichen. Topographische Unterschiede sollten durch Terrassenbauten überbrückt werden, im Zentrum des Neubaugebiets dachten die Stadtplaner an ein Gewerbegebiet. Eine in die Pläne involvierte Soziologin fügte eine Mehrzweckhalle für kulturelle Veranstaltungen, Kindergärten, Schulen und Sporthallen hinzu.
Allerdings besaß die Stadt Wuppertal zu wenig Grundstücke, um selbst zu bauen, so dass man mit Baugesellschaften ins Gespräch kam. Die Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Trägern von Bauprojekten begann Ende der 1950er Jahre. In Nächstebreck begannen zahlreiche Unternehmen Land zu kaufen. Die Bauern hier hatten vom wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt wenig bis nichts mitbekommen und verkauften so in den 1970er Jahren ihre Grundstücke für 22 bis 26 DM pro Quadratmeter (inflationsbereinigt entspricht das heute etwa 50 €/qm). Mit der Verzögerung der Umsetzung der Pläne wurden das Bauvorhaben auch immer teurer, was der Motivation der beteiligten privaten Immobiliengesellschaften nicht besonders guttat.
Um die Menschen von ihren Wohnstätten im Nordosten der Stadt zur Arbeit zu bringen, wurde von den Stadtplanern nicht nur auf das Auto gesetzt, dessen Gebrauch vor allem für den Verkehr innerhalb der neuzuerrichtenden Trabantenstadt angedacht wurde, sondern vor allem an den ÖPNV. Zwei alternative Pläne standen zur Debatte. Die erste Idee betraf eine Zugverbindung. Heute weiß nahezu jeder Wuppertaler um den Verlauf der Nordbahntrasse, die bis zum Bahnhof Schee verläuft, als dort tatsächlich noch eine Bahn fuhr, mögen nur Einheimische vor der Existenz dieser Strecke gewusst haben, die vor allem dem Güterverkehr galt und erst später dem von Personen. Das aber wollten die Stadtplaner ändern. Der Streckenverlauf der so genannten „Kohlenbahn“ vom Bahnhof Wichlinghausen bis nach Hattingen hinein passt recht gut in die Planungen zur Trabantenstadt in Nächstebreck, so dass man das Gespräch mit der Bundesbahn suchte, um eine regelmäßig fahrende S-Bahn-Linie zu initiieren.
So ganz trauten die Wuppertaler der Bahn nicht, denn die zweite Variante wurde wesentlich detailreicher ins Auge gefasst. Und diese war eigentlich ein Sakrileg, beabsichtigten die Stadtplaner doch eine Verlängerung der Schwebebahn vom Endpunkt Oberbarmen aus bis hoch nach Nächstebreck. Der Bau der Schwebebahn um das Jahr 1900 herum war aus guten Gründen im Tal erfolgt, denn die Steigungen der Hügel und Berge wären für die Bahn nur schwer zu händeln gewesen. Nun wollte man die etwa 50 Höhenmeter Unterschied zwischen dem Berliner Platz und dem Bad Mählersbeck als neuer Haltestelle der Strecke durch eine große Schleife überwinden, in der, je nach Modell, fünf bis sechs zusätzliche Stationen dazu gekommen wären. Nach dem Bahnhof Oberbarmen, wäre der nächste Halt – nach Fahrt durch einen Tunnel – in der Olgastraße gewesen. Von dort aus war eine große Schleife hinein nach Langerfeld angedacht, die einen Halt an der Dahlerstraße möglich gemacht hätte. Von dort wäre die Fahrt mit der Schwebahn wieder zurück nach Westen gegangen und der Klingholzberg hätte eine eigene Station bekommen, die aber wegen des schlechten Rufes nach der Hildburgstraße benannt worden wäre. Das waren die Pläne für einen ersten Bauabschnitt, die bereits sehr konkret ausgearbeitet waren. Die Endstation der Schwebebahn war zunächst für den Bereich Weiherstraße, Am Diek angedacht. Von hier aus sollten die Bewohner der Trabantenstadt dann anderweitig wieder in ihre Häuser kommen.

Allerdings war eben auch eine Erweiterung der Erweiterung überlegt worden, aber nie so genau ausgearbeitet gewesen, so dass es drei Möglichkeiten gab. Erstens wäre es möglich gewesen, einen schmalen westlichen Bogen zu fahren, der eine Haltestelle an der Weiherstraße ermöglicht hätte, bevor die Haltestelle Mählersbeck erreicht worden wäre. Eine zweite Version ging von einer stärkeren Steigerung der Strecke ohne große Bögen aus, die entlang der Wittener Straße geführt und dieser eine Station beschert hätte, die der vorletzte Halt vor dem Freibad gewesen wäre. Die letzte Variation schließlich ging von einer Station Wittener Straße aus, die ein wenig weiter südlich gelegen hätte und erneut einen breiteren Bogen nach Westen geschlagen hätte, so dass eine weitere Station zwischen Wittener Straße und Mählersbeck hätte eingebaut werden müssen, was der eine Schwebebahnstation für Beckacker Brücke bedeutet hätte, die aber in den Plänen noch gar keinen Namen hatte.

Doch warum wurde dieses Vorhaben nicht umgesetzt? Es lag an drei Dingen. Zunächst stimmte die Prognose für die Entwicklung der Bevölkerung in Wuppertal nicht mit der Realität überein. Die Zahlen der neuzugezogenen Bürger stagnierten ab den 1960er Jahren und gingen schließlich sogar zurück, als der Strukturwandel die Stadt mit voller Wucht traf. Damit einhergingen geringere Einnahmen, was den zweiten Grund für das Fehlen einer Schwebebahn in Nächstebreck und Westlangerfeld erklärt. Die Kosten für den Bau der Schwebebahnerweiterung waren schlicht zu hoch, denn jeder der beiden Bauabschnitte hätte etwa 75 bis 100 Millionen DM (heute inflationsbereinigt ca. 150 bis 200 Mio. €) gekostet. (Zum Vergleich: Der Umbau des Döppersbergs schlug mit 140 Mio. € zu Buche) Diese enormen Kosten wollte die Stadt dann doch nicht tragen.
Und noch ein dritter Grund spielt keine unbedeutende Rolle: Die Einwohner von Nächstebreck und Langerfeld hatten wenig Interesse – weder an der Trabantenstadt noch an der Verlängerung der Schwebebahn. Grundstücke abgeben zu müssen, um Pfeiler für das Schwebebahngerüst aufzustellen war kein verlockendes Angebot. Zudem wurde so mancher spätere Lokalpolitiker nur deswegen im Stadtrat aktiv, weil es galt, diese Projekte zu verhindern. Dabei waren sie enorm erfolgreich. 1972 kippte der Plan der Trabantenstadt und Nächstebreck blieb eine grüne Idylle, in die sich gestresste Städter in kürzester Zeit aufmachen können, um frische Luft zu tanken. Die Verlängerung der Schwebebahn jedoch blieb in den Köpfen noch längere Zeit erhalten – vielleicht gerade wegen des Freibads. Immerhin war auch dieses Bad in den 1970er Jahren erneuert worden, nachdem es bereits 20 Jahre vorher saniert worden war. Aber 1975 war auch dieser tollkühne Plan vom Tisch. Vor allem deswegen, weil es für das Projekt keine Fördergelder von anderer Stelle gegeben hätte. An die Stelle dieser nahezu visionären Idee traten besser planbare kleinere Wohnungsbauprojekte – viele an der Stelle, wo vorher die Schwebebahnstationen errichtet worden wären.
Und doch fasziniert der Gedanke: Mit der Schwebebahn ins Freibad – eigentlich keine schlechte Idee, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Alternative im Bau einer Bundestraße, der B51, bestand.
Heiko Schnickmann