Friedrich Bayer zum 200. Geburtstag

Am 6. Juni 1825 wurde in Barmen ein Junge geboren, der die Geschichte der chemischen Industrie entscheidend mitprägen sollte: Friedrich Bayer. Was in Heckinghausen mit kleinen Farbstoffexperimenten begann, entwickelte sich zu einem Weltunternehmen – doch der Weg dorthin war nicht vorgezeichnet.

Friedrich Bayer war der Sohn eines Seidenwirkers und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Früh musste er auf eigenen Beinen stehen. Mit 14 Jahren begann er eine Lehre bei der Chemikalienhandlung Wesenfeld & Co. an der Heckinghauser Straße. Der Gründer, Carl Stephan Ludwig Wesenfeld, war ursprünglich Apotheker und baute aus dem Handel mit chemischen Substanzen bald die größte Fabrik in Heckinghausen auf – dort, wo heute die Schnurstraße liegt. Hier lernte Bayer nicht nur den Umgang mit Farben, sondern auch, wie eng kaufmännisches Denken und naturwissenschaftliche Prozesse miteinander verbunden sein konnten.

Seine Begabung fiel schnell auf: Schon bald wurde er Stellvertreter des Inhabers. 1849 änderte er seinen Nachnamen von „Beyer“ zu „Bayer“, um sich von einem betrügerischen Kaufmann gleichen Namens zu distanzieren. Es war eine bewusste Entscheidung für Verlässlichkeit – ein neues Kapitel unter neuem Namen.

Die entscheidende Begegnung war die mit Friedrich Weskott, einem Färber und früheren Brauer, der in Heckinghausen eine eigene Färberei betrieb. Die beiden verstanden sich – geschäftlich wie persönlich. Man traf sich regelmäßig in der Gaststätte „Zur Pfalz“ am Pfälzer Steg, diskutierte neue Farbstoffe und tüftelte an Ideen.

Die praktischen Versuche begannen in den Küchen beider Familien. Dort wurde mit Anilin-und Fuchsinfarben experimentiert, zunächst noch im Topf, später unter immer professionelleren Bedingungen. Der oft zitierte Verzicht auf warmes Essen ist eher eine Anekdote – in Wahrheit wurde vermutlich nur in der jeweiligen Versuchsküche nicht gekocht, während die andere Familie durchaus gut versorgt war.

Weskott testete die neuen Farbstoffe in seiner Färberei an der Berliner Straße. Die Ergebnisse waren überzeugend. Am 1. August 1863 gründeten die beiden die Firma „Friedrich Bayer et Comp.“, eingetragen ins Barmer Handelsregister. Bayer übernahm die kaufmännische Leitung, Weskott die technische. Die Produktion begann auf dem Gelände der Weskottschen Färberei, das Lager und der Vertrieb lagen in Bayers Kontor nahe der Alten Wupperbrücke.

Das Unternehmen wuchs rasch. Schon im ersten Jahr beschäftigte man zwölf Arbeiter, vier Jahre später waren es fünfzig. Bayers Gespür für den Markt und Weskotts technisches Können ergänzten sich ideal. In einer Zeit, in der viele Farben noch aus pflanzlichen oder tierischen Rohstoffen gewonnen wurden, eröffneten Teerfarbstoffe neue Möglichkeiten: günstiger, kräftiger, stabiler.

Schon früh versuchte man bei Bayer, akademisches Wissen mit praktischer Erfahrung zu verbinden. Ein ehemaliger Mitarbeiter erinnerte sich später:


„1861, als ich bei Herrn Bayer anfing, wurden dort keine Farben gemacht, sondern nur gefärbt. … Sie hatten zwar schon Fuchsin, ein Dr. Schönhausen sollte es machen. Aber erst als Schönhausen fortging – die Arbeiter hatten ihm nämlich das Fuchsin immer verdorben – kam ein Conrad als Meister hin … Nun wurde das Fuchsin wieder richtig gemacht.“

Das zeigt, dass Bayer früh auf wissenschaftliche Expertise setzte – auch wenn der erste Versuch an der Realität im Betrieb scheiterte. Der Gedanke, Chemie systematisch zu betreiben, war jedoch gesetzt. Und aus solchen Anfängen entwickelte sich später das Forschungslabor, das Bayer weltberühmt machen sollte.

Doch der Fortschritt hatte seinen Preis. Als ein Produktionskessel leckte und giftige Abwässer in die Brunnen der Nachbarschaft sickerte, kam es zu Gerichtsprozessen. Bayer sah sich öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt und konnte sich zeitweise nur noch in Begleitung Weskotts auf der Straße zeigen. 1866 verlegte man die Produktion deshalb nach Elberfeld – ein Schritt, der den Weg zur industriellen Expansion ebnete.

Friedrich Weskott starb 1876 an einem Lungenleiden. Friedrich Bayer erlebte den weiteren Aufstieg seiner Firma noch mit – bis zu seinem Tod im Jahr 1880. Fünf Jahre später wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Aus einer Idee am Küchentisch war ein Konzern geworden – ein Fundament der deutschen Chemieindustrie.

Zum 200. Geburtstag erinnert vieles an Friedrich Bayer: die Gedenktafel an seinem Wohnhaus in Heckinghausen, das globale Unternehmen, das seinen Namen trägt – und nicht zuletzt die Tatsache, dass Geschichte manchmal dort beginnt, wo zwei Menschen einfach anfangen, etwas auszuprobieren.

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