In den vergangenen Jahren ist die alte Frage nach der Trennlinie zwischen Tier und Mensch von der Peripherie der Forschung in das Zentrum gerückt1. In Zeiten in denen naturwissenschaftliche Erkenntnisse dafür sorgen, dass mehr und mehr Eigenschaften, die einmal die Alleinstellungsmerkmale des Menschen waren, auch einzelnen Tierarten zugesprochen werden2, liegt der Fokus nicht mehr auf einer Abgrenzung des Menschen vom Tier, sondern viel mehr auf einer Diskussion darüber, ob Tieren nicht wesentlich mehr Rechte eingeräumt werden müssen, als es ein Tierschutzgesetz vorsieht3.
Folgt man einer biologischen Definition des Tieres kann der Mensch ohne Umschweife als Tier betrachtet werden, das sich, wie jedes Tier, durch bestimmte Eigenschaften von anderen Tieren unterscheidet4. Auf einer solchen Ebene ist die Diskussion über die Grenze zwischen Tier und Mensch ähnlich müßig wie die über Adler und Nacktschnecke oder Schwamm und Blindschleiche; daher also womöglich aus biologischer Sicht interessant, für die kulturwissenschaftliche Betrachtung, aber eher von vernachlässigbarer Natur.
Den Forschern der Animal Studies wird durchaus vorgeworfen, sie würden sich allzu oft auf die Tiere der Klasse der Mammalia beschränken5. Einmal abgesehen davon, dass dabei die Forschungen zu den Aves außen vor gelassen werden6, darf dieser Umstand nicht verwundern. Diese Tiere weisen zum einen nicht nur eine recht hohe Diversität auf, was natürlich auch für Vögel und vor allem Insekten gilt, sondern sind auch dem Menschen physiologisch ähnlicher als andere Tiere. Zudem wird seine Aufmerksamkeit am ehesten auf diese Tiere gelenkt, da sie für ihn zum einen eine reale Gefahr für Leib und Leben darstellen7, zum anderen, vor allem in ihrer domestizierten Form, als Nahrung und Kleidung dienen.
Nach den aktuell diskutierten archäozoologischen und molekulargenetischen Untersuchungen ist davon auszugehen, dass die Haltung von Haustieren nach der Nutzung und Herstellung von Werkzeug und der Nutzung des Feuers, die wohl älteste Kulturleistung des Menschen ist. Domestizierung heißt, dass der Mensch nicht nur in der Lage ist, wilde Tiere zu zähmen und zu halten, sondern darüber hinaus Aussehen, Körpermasse und Charakter der Tiere durch Zucht nach seinen Wünschen zu verändern, um den Tieren einen durch in bestimmten Nutzen zu verleihen.
Für die meisten Tierarten gilt, dass dieser Prozess in einem Zeitraum begann, der länger als fünftausend Jahre zurück liegt. Damit ist eine Epoche bezeichnet, in der Mensch noch nicht alle Lebensräume, die er heute bewohnt, zu eigen gemacht hatte. Daraus folgt gleichzeitig, dass die Domestizierung von Tieren unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Räumen stattgefunden hat. Davon abgesehen, müssen die Menschen zu diesem Zeitpunkt bereits miteinander kommuniziert haben, auch wenn es für diese Annahme kaum Belege oder Rekonstruktionen gibt.
Wie eng der Domestizierungsprozess und der Prozess der Kommunikation miteinander verbunden waren, zeigt sich sehr deutlich in der Keilschrift Mesopotamiens. So ist dort etwa ein Zeichen bekannt, bei dem es sich um einen Ring mit innen liegendem Kreuz handelt. Dieses „Udu“ genannte Zeichen bedeutet Schaf und ist bereits für 3300 v. Chr. bekannt8. Kombinationen dieses Zeichens ergaben schließlich andere Worte mit neuen Bedeutungen, wie etwa Hirte9. Da es eine solche Korrelation zwischen Sprache und Tieren gab, ist daher auch anzunehmen, dass Tiere generell mit bestimmten Eigenschaften versehen wurden, die ihren in den Augen der Menschen guten oder schlechten Charakter darstellten, so dass die Bezeichnung eines Tieres zu einer Alltagsmetapher wurde, durch die man sich geehrt oder beleidigt fühlen konnte.
Deutlich sollte sein, dass diese Zuschreibungen innerhalb einer Kultur eine ganz andere sein konnte, als in einer anderen Kultur. Dass darüber hinaus diese Alltagsmetaphern zudem auf die Tiere als solche zurückgeworfen wurden, dass das real existierende Tier selber zu Ehrung oder Beleidigung wurde, ist anzunehmen. Daraus folgt abschließend, dass eine Kommunikation durch Tiere innerhalb einer Kultur möglich ist, zwischen zwei Kulturen aber zu Missverständnissen führen kann, deren Kontext sich aus der jeweiligen Kommunikationssituation heraus erklären lässt.
Dass es daher unter Forschern zu den Animal Studies oftmals zu einer Häufig mit der Beschäftigung mit Säugetieren kommt, vor allem der domestizierten Art, darf daher nicht verwundern. Ihnen liegt ein großes kulturelles Potenzial zugrunde, das durch zahlreiche Quellen flankiert wird, die für wilde Tiere, die keine Säugetiere sind, kaum vorliegt.
1Vgl.: Perler, Dominik/Wild, Markus (Hg.): Der Geist der Tiere. Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion, Frankfurt/Main 2005.
2Hier sei auf Studien verwiesen, die etwa nahezu identische Gene bei Mensch und Schwein feststellen, vgl: Peischel, Tanja: DNA-Varianten in Zytokin codierenden Genen beim Schwein, Hannover 2006, Diss. 75ff., in: http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/peischlt_ss06.html (12. September 2012) oder auf Goodalls Beobachtungen zum religiösen Empfinden von Schimpansen: Goodall, Jane: Why is it Time for a Theological Zoology!, in: Hagencord, Rainer (Hg.): Wenn sich Tiere in der Theologie tummeln. Aufsätze einer theologischen Zoologie, Regensburg 2010, 15-17.
3Vgl.: Ladwig, Bernd: Menschenrechte und Tierrechte, in: Zeitschrift für Menschenrechte 1/2010, 130-156.
4Vgl.: Sadava, D./Hillis, D. M./Heller, H.C./Berenbaum, M.R.: Purves Biologie, hrsg. von Jürgen Markl, München 92011, 942f.
5Vgl.: Krischke, Wolfgang: Stimmen der Kreatur. Tierhistoriker kämpfen um Anerkennung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Januar 2011, N4.
6Vgl. etwa: Ptak, Vögel.
7Die weitaus tödlicheren Krankheiten, die durch Flöhe und Mücken verbreitet werden können, spielen hier keine Rolle, da die Kenntnis darüber bis ins 19. Jahrhundert hinein unbekannt war. Ausnahmen aus anderen Gruppen wie den Reptilien bestätigen die Regel.
8Vgl.: Marzahn, Joachim: Vom Beginn der Schrift, in: Crüsemann, Nicola/van Ess, Margarete/Hilgert, Markus/Salje, Beate (Hrsg.): Uruk. 5000 Jahre Megacity. Begleitband zur Ausstellung, Petersberg ²2013, 185.
9Vgl.: Krebernik, Manfred: Die frühe Keilschrift und ihr Verhältnis zur Sprache, in: Crüsemann et al.: Uruk, 188.